Kulturstaatsministerin Claudia Roth (von den Grünen) reiste auf Einladung ihres ukrainischen Amtskollegen nach Odessa und tat kund, dass dieser Krieg „tatsächlich auch ein Krieg gegen die Kultur, gegen die Kultur der Demokratie“ ist. Deshalb wohl traf sie sich mit demokratischen Lichtgestalten wie Gouverneur Martschenko, ehemaliger Kommandeur des 2014 aus entlassenen Kriminellen gebildeten und von Faschisten durchsetzten Bataillons „Aidar“, und Bürgermeister Truchanow, tief in die organisierte Gewalt verstrickt.
Eine Kostprobe ihres kulturellen Tiefgangs lieferte sie gleich beim Empfang in Odessa, als ihr zwei Briefmarken überreicht wurden. Das erste Motiv zeigt einen ukrainischen Soldaten an Land, im Hintergrund die Silhouette des gesunkenen Kriegsschiffes „Moskwa“ der russischen Schwarzmeerflotte. In der zweiten Variante ist das Schiff verschwunden. Der Soldat streckt einen Mittelfinger in die Höhe. Frau Roth verstand und kommentierte: „Fuck off, Schwarzmeerflotte!“
Auslöschen von Kultur, Geschichte und Identität eines Volkes bedeutet immer auch Zerstörung der Sprache: Über das Verbot der russischen Sprache in der Ukraine war von der Frau Oberkulturschützerin nichts zu vernehmen. Auch nicht darüber, dass hunderte von Denkmälern in der Ukraine abgerissen wurden, dass hunderte von nach russischen Schriftstellern benannte Straßen umbenannt werden und so aus dem kulturellen Gedächtnis der Völker gestrichen werden sollen. In Kiew wird es den Leo-Tolstoi-Platz samt der nach ihm benannten U-Bahn-Station erwischen. Das Dorf Fontanka in der Nähe von Odessa beschloss, eine dem Dichter Wladimir Majakowski gewidmete Straße in die Boris-Johnson-Straße umzuwandeln, nachdem dieser versprochen hatte, ein 100-Millionen-Pfund-Waffenpaket in die Ukraine zu schicken.
Odessa hat sich um die Anerkennung als UNESCO-Weltkulturerbe beworben, was Frau Roth wärmstens unterstützt. Fontanka lässt es ahnen: Weltkulturerbe mit Mad Boris statt Dichtergenie Majakowski.
„Wo ich auch sterb,/sink als Sänger ich hin,/in welcher Wildnis/ich auch fallen sollte/ich weiß,/dass ich/würdig bin,/mit denen zu ruhn,/deren Fallen/der Roten Fahne gegolten.“
(Aus Majakowskis Gedicht „Darüber“, 1923)