Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) hat den Humanismus verinnerlicht. Nein, natürlich sei es „nie zu rechtfertigen, dass unschuldige Menschen getötet werden“, sagte sie am Dienstag im „Deutschlandfunk“. Und deswegen – so die knallharte Forderung der Menschenfreundin – verlange sie auch von Israel, dass „über genau diese Frage jeden Tag nachgedacht wird“. Sonst könne aber alles weiterlaufen wie bisher mit Staatsräson und Waffenlieferungen. Zehntausende Tote und die komplette Zerstörung des Gazastreifens würden zwar Fragen zur Verhältnismäßigkeit aufwerfen, aber am Ende steht ein guter Zweck: „Die Frage, wie dieser Krieg geführt wird, entscheidet auch darüber, welcher Frieden eigentlich entstehen kann.“
Die gleiche Art Frieden dürfte auch Michael Roth (SPD) vorschweben. Es sei „ein sehr, sehr populistisches Spiel, leider auf dem Rücken von unschuldigen Menschen“, sagte er am Dienstag bei „ntv“ und meinte damit nicht Netanjahus Völkermordpolitik, sondern Nicaraguas Klage vor dem IGH, in der Deutschland Beihilfe zum Völkermord vorgeworfen wird. Dass eine „Demokratie wie Deutschland“ angeklagt werde, sei „schon frustrierend“.
Montag und Dienstag fanden die Anhörungen in diesem Verfahren statt. Ein Urteil wird bis Ende April erwartet. Trotz dieser Atempause dürfte Michael Roths Frustrationslevel weiter steigen. Denn die geheiligte „Staatsräson“ wird in Frage gestellt. Die bedingungslose Unterstützung Israels habe „die deutsche Mitschuld bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht riskiert“, hieß es Ende März in einem Offenen Brief, der von mehr als 140 Sozialwissenschaftlern unterzeichnet worden war. Zu Wochenbeginn berichtete die „junge Welt“ von einem sehr viel deutlicheren Schreiben, das rund 600 Bundesangestellte und Beamte anonym unterzeichnet haben sollen. Sie fordern ein Ende der Waffenlieferungen und berufen sich auf das Beamtengesetz, um gegen die deutsche Beteiligung am israelischen Völkerrechtsbruch zu protestieren.
Doch am Ende reicht es nicht aus, den Roth zu frustrieren. Dem schriftlichen Protest muss der Aufschrei auf der Straße folgen.