Berlinerinnen und Berliner besetzen über Pfingsten neun Häuser

Frühlingsgefühle

Von Peter Neuhaus

In Berlin gingen MieteraktivistInnen am Pfingstsonntag nicht nur gegen Leerstand vor. Die Aktion richtete sich gegen steigende Mieten und die damit einhergehende Verdrängung.

„Die Häuser denen, die sie brauchen“ stand unter anderem auf den Transparenten, die an den Fassaden von gleich neun Häusern hingen. Sie waren kurzerhand besetzt worden. Die meisten von ihnen symbolisch. In zwei Häusern blieben die BesetzerInnen – bis die Polizei die „Berliner Linie“ durchsetzte.

In der Reichenberger Straße in Kreuzberg wurde ein seit Monaten leerstehendes Ladenlokal besetzt. Eigentümer ist die Akelius GmbH, die auf ihrer Internetseite für eine Wohnung im Nachbarbezirk Neukölln mehr als 30 Euro für den Quadratmeter aufruft. Hunderte Nachbarinnen und Nachbarn solidarisierten sich in der Reichenberger Straße mit den Besetzern und ihren Forderungen.

In der Bornholmer Straße in Neukölln wurde ein Objekt mit 40 Wohnungen besetzt. Eigentümerin ist seit 2015 die landeseigene „Stadt und Land“-Wohnungsbaugesellschaft. Seitdem steht das Gebäude leer.

Während die Akelius GmbH schnell ein Räumungsbegehren gestellt hat, gab es mit „Stadt und Land“ zunächst Verhandlungen mit Geschäftsführer Ingo Malter. Auch Vertreter des Senats nahmen an den Gesprächen teil. Aber Malter dauerte das offenbar zu lange. Er ließ noch während der Verhandlungen räumen.

Die Polizei ging wie gewohnt brutal vor. Es gab mehrere Verletzte. Gegen 56 Besetzerinnen und Besetzer laufen nun Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruch. Nach getaner Arbeit gibt es Geplänkel zwischen den Parteien, die Leerstand, Wohnungsnot und Räumungspolitik in Berlin zu verantworten haben.

SPD-Innensenator Andreas Geisel kommentierte kurz und schmerzlos: Dass die Polizei das leerstehende Haus nach wenigen Stunden räumte sei Teil der Berliner Linie. Die besage, dass Hausbesetzungen binnen 24 Stunden zu beenden seien. Die Wohnungspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Katrin Schmidtberger, nannte die Besetzung hingegen „gut und richtig“ und versprach den Besetzern einmal mehr: „Es wird mit uns als Rot-Rot-Grün den nötigen Druck geben, in der Wohnungspolitik besser zu agieren.“ Die Landesvorsitzende der Linkspartei, Katina Schubert, ließ das übliche „Ja, aber …“ hören und lobte Besetzungen wie Polizeieinsatz gleichermaßen.

Tom Schreiber, Innenpolitiker der SPD im Abgeordnetenhaus, ist „fassungslos, wie hier Vertreterinnen der Linken und Grünen Hausbesetzungen als legitimes Mittel ansehen“ und empfahl ihnen, „im Jahr 2021 für die ‚Antifa-Liste‘ anzutreten“.

Das will nun wirklich keiner. Die Besetzerinnen und Besetzer erklärten nach Pfingsten in einer Pressemitteilung: „In Zukunft werden wir uns nicht mehr auf Rot-Rot-Grün und ihre Zusagen verlassen. Der Frühling hat gerade erst angefangen.“

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"Frühlingsgefühle", UZ vom 25. Mai 2018



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