In der Endphase des II. Weltkriegs wuchsen die Widersprüche in der Antihitlerkoalition

Frühling der Völker

Das Frühjahr 1945 war Aufbruch nicht nur in der Natur, sondern auch im Leben der Völker Europas und darüber hinaus. Polen war befreit und die sowjetischen Truppen standen an der Oder. Schon im Frühherbst 1944 wurden Rumänien und Bulgarien durch die Rote Armee befreit.

Das wichtigste militärische Ereignis dieser Periode war die Operation von Iasi-Kischinjow, mit der die Sowjetarmee den gesamten Verlauf der Front bestimmte. Unter diesen Bedingungen war die von den Regierungen der USA und Großbritanniens geplante Invasion auf dem Balkan durch nichts mehr gerechtfertigt. Das Waffenstillstandsabkommen mit Rumänien sah vor, dass das Land die Kampfhandlungen gegen die UdSSR einstellt, aus dem Krieg gegen die Vereinten Nationen austritt und am Krieg gegen Deutschland und Ungarn teilnimmt. Ferner wurde Nordtranssilvanien, das Horthy-Ungarn von Hitler erhalten hatte, an Rumänien zurückgegeben. Es begann der Aufbau der neuen Macht, die mit der Abdankung des Königs am 30. Dezember 1947 einen weiteren Höhepunkt erreichte.

Am 8. September 1944 überschritt die Sowjetarmee auf breiter Front die rumänisch-bulgarische Grenze. Sie rettete Bulgarien vor der britisch-amerikanisch-türkischen Intervention und dem Eindringen der Monopole der Wall Street und der Londoner City. Die bulgarischen Partisanen fügten dem Feind schwere Verluste zu. Die von den Kommunisten geschaffene Vaterländische Front war eine wichtige gesamtnationale Kraft beim demokratischen Aufbau. Danach war durch die Sowjetarmee im Südabschnitt der sowjetisch-deutschen Front eine neue strategische Angriffsoperation vorbereitet worden, um den Südflügel der faschistischen Wehrmacht zu zerschlagen. Die Sowjettruppen befreiten die Karpatho-Ukraine, unterstützten die Völker der Tschechoslowakei und Jugoslawiens, waren bis zu den Verbindungslinien nach Albanien und Griechenland vorgestoßen und schalteten Ungarn als letzten Verbündeten Deutschlands aus. Im März 1945 marschierten sowjetische Truppen in Österreich ein und nahmen am 13. April Wien.
Im Norden wurde am 19. September 1944 das Waffenstillstandsabkommen mit Finnland unterzeichnet. Finnland nahm seine Truppen hinter die Grenze von 1940 zurück. Die deutschen Streitkräfte auf finnischem Territorium wurden entwaffnet. Der sowjetisch-finnische Friedensvertrag vom 12. März 1940 erhielt wieder Rechtskraft. Die Sowjetarmee eröffnete eine neue Offensive im Baltikum.

Am 9. April 1945 wurde die Hauptstadt Ostpreußens, Königsberg, erstürmt. Mitte April hatte die Sowjetarmee Ostpreußen, Schlesien und Ostpommern vollständig eingenommen, Ungarn und einen großen Teil der Tschechoslowakei befreit. Gemeinsam mit den Truppen der befreiten Länder vollendete die Sowjetarmee die Säuberung der Länder Osteuropas von den Faschisten.

Mitte März erreichten auch Verbände der Alliierten den Rhein und überquerten ihn nach langer Vorbereitung an mehreren Stellen. Anfang April kreisten sie eine große Gruppierung des Gegners (325.000 Mann) im Ruhrgebiet ein und zwangen sie zur Kapitulation. Danach begann die Westfront der Faschisten zu zerbröckeln.

In der Führungsspitze Deutschlands bildeten sich mehrere Gruppen heraus. Einige versuchten, den militaristischen deutschen Staat zu retten. Sie hofften auf einen baldigen bewaffneten Konflikt zwischen der UdSSR und den Westmächten, bei dem Deutschland als „natürlicher“ Verbündeter der Westmächte auftreten könnte. Dazu gehörten Ribbentrop, Göring und Himmler.

Die Nazi-Führer rechneten damit, dass sich kurz vor dem vollständigen Sieg der Antihitlerkoalition doch noch ein Konflikt in der sowjetisch-britisch-amerikanischen Koalition entwickeln könnte, der für Nazi-Deutschland ein Stück Hoffnung bedeuten könnte.

In den ersten Jahren gründeten sich die Erwartungen, die die Nazis an ein Auseinanderbröckeln der Antihitlerkoalition hatten, vor allem auf die traditionell antikommunistische Politik der Westmächte. Zum Ende des Krieges verstärkten sich die Widersprüche in Zusammenhang mit den sich abzeichnenden Meinungsverschiedenheiten zwischen der UdSSR und den Westmächten über den Aufbau der Nachkriegswelt. Die „Unstimmigkeiten“ bestanden nicht nur in Bezug auf die Zukunft Deutschlands. Die einen wollten Deutschland wegradieren. Andere wollten es als antisowjetische Waffe in ihren „Cordon sanitaire“ gegen die Sow­jetunion eingliedern. Als Vorsitzender des Senatsausschusses für Auswärtige Angelegenheiten erklärte Harry Truman, der nach Roosevelts Tod Präsident der USA wurde und in Potsdam mit Stalin verhandelte: „Wenn wir sehen, dass Deutschland gewinnt, so sollten wir Russland helfen. Und wenn Russland gewinnt, so sollten wir Deutschland helfen. Sollen sie auf diese Weise gegenseitig so viel wie möglich töten.“ Das war auch Hintergrund dafür, dass die „Unstimmigkeiten“ der „Drei Großen“ hinsichtlich Polens, Rumäniens, Griechenlands und in anderen Fragen zum politischen Faktor wurden. Sie drangen an die Öffentlichkeit und nährten Hoffnungen der offenen und heimlichen Gegner der Antihitlerkoalition. Hinzu kam der plötzliche Tod von USA-Präsident Roosevelt, der zum Verfechter der internationalen Zusammenarbeit im Sinne des Friedens gehörte.

Die Lage vor dem endgültigen Schlag gegen den faschistischen Aggressor war also von ihrem Verlauf her hoffnungsvoll. Von den Bedingungen her war sie kompliziert und mit vielen widersprüchlichen Zielen und Problemen belastet. Die Sowjetunion blieb der konsequente und ruhende Pol.

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"Frühling der Völker", UZ vom 24. April 2020



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