Aktuelle Science-Fiction sieht schwarz für die Zukunft

Früher war‘s besser

Von Benni Roth Aus Vorwärts, Schweiz

Literatur ist Teil der Gesellschaft und bildet sie nach Eigenlogik ab. Das trifft auch auf Science-Fiction zu. Welches Bild von unserer Gesellschaft und welche Aussichten auf den weiteren Fortgang entwirft die gegenwärtige Science-Fiction?

Science-Fiction bietet zurzeit vor allem negative Aussichten für die Zukunft. Entweder wird der Status quo bejaht und eine technologisch hochentwickelte Gesellschaft unter kapitalistischen Vorzeichen sowie liberal-demokratischen Strukturen entworfen. So gibt es zum Beispiel in „Star Wars“ einen korrupten Senat, der von einer Diktatur verschluckt wird. Oder es werden Dystopien gezeigt, in denen bereits heute vorhandene Missstände massiv verschärft auftreten und durch eine dem Menschen feindliche technologische Entwicklung intensiviert werden. In „Elysium“ verlassen die Reichen die Erde auf eine luxuriöse Raumstation, während die Verdammten dieser Erde – die Ärmeren – ihr Leben in Elend und Repression fristen. In „Blade Runner“ übernimmt das wirtschaftliche Großkonglomerat Tyrell Corporation die Herrschaft. Bei „In Time“ wird durch die Lebenszeit-Entlohnung eine lebensbedrohliche Verschärfung der Ausbeutung betrieben. In „Minority Report“ erfolgt die Vervollkommnung der Überwachung durch die sofortige Bestrafung von erfassten Gewaltgedanken. Und in „Star Wars VII“ übertrifft die Starkiller-Basis sogar die Feuerkraft des Todessterns und beweist, dass es immer eine noch schlimmere Massenvernichtungswaffe gibt. All diese Dystopien sind aus realen Verhältnissen inspiriert und deuten in dramatischer Weise an, wie weit es vielleicht noch kommen könnte.

Autoritär und militärisch

Ein wichtiges Motiv gegenwärtiger SciFi ist zudem das Einzelkämpfertum. SuperheldInnen oder Hochbegabte versuchen, die Welt zu retten, während Menschenmassen nur als Kanonenfutter oder Mob auftreten. Muskelbepackte Helden und halbnackte Heldinnen zeigen hierbei auch eine sexistische Komponente, die gesellschaftliche Normen propagiert: für den Profit von Fitnessstudios und Schönheitsindustrie und zum Leidwesen von Essstörungen betroffener Menschen. Außerdem ist es ein fataler Irrglaube, dass Konflikte der Menschheitsgeschichte von Ausnahmepersonen gelöst würden. Die Novemberrevolution in Deutschland wurde zum Beispiel von meuternden Matrosen, streikenden ArbeiterInnen und Friedensbewegten angetrieben, auch wenn Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht uns als herausragende und prägende Persönlichkeiten in Erinnerung geblieben sind.

Auch werden die Krisen in Science-Fiction meist autoritär und militärisch gelöst. In „World War Z“ findet sich beispielsweise mit dem Abschlachten von Zombies eine Szene, die bei den ZuschauerInnen Sympathien für die Vernichtung von Menschenmassen erzeugen soll. Im Zombieszenario werden auch immer jene, welche die Zombies nicht töten wollen, als schwache IdealistInnen gezeichnet, deren Tod dann oft „verdient“ erscheint – zum Beispiel im Zombie-Roman „Eden“, wo eine Hippiekommune die Zombies heilen will und dafür zerfleischt wird.

Überwindung des Kapitalismus, vor allem konkrete Ausgestaltung, zeigt Science-Fiction nicht; höchstens das Ausweichen auf andere Planeten oder die Rückkehr zur vorkapitalistischen Gesellschaft durch Apokalypse. Nein, utopische Science-Fiction erfreut sich keiner breiten Öffentlichkeit. Es ist – laut dem US-amerikanischen Marxisten Fredric Jameson – heutzutage offenbar leichter, sich das Ende der Welt vorzustellen, als das Ende des Kapitalismus. So dominiert selbst bei „revolutionärer“ SciFi das Motiv der verratenen Revolution oder Ungewissheit über den Fortgang (siehe „Tribute von Panem“).       

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"Früher war‘s besser", UZ vom 22. Juni 2018



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