Ein Busfahrer im Rhein-Main-Gebiet kommt im Monat auf etwa 2 000 Euro brutto. Wenn er viel nachts und an Feiertagen fährt, können es ein paar hundert Euro mehr sein. Wenn er im teuren Frankfurt (oder den gleich teuren Städten Darmstadt oder Wiesbaden) arbeitet und zur Miete wohnt, kann er sich zu diesem Gehalt nur mit Mühe allein über Wasser halten. Eine Familie zu ernähren ist unmöglich. Die Kommunalpolitiker in der Region sind über den Streik der Busfahrer in Südhessen entsetzt und erschrocken. Das wollten wir nicht, sagen sie, wenn sie den Ärger der Bevölkerung spüren, und empfehlen den Busunternehmern, den Forderungen der Fahrer und ihrer Gewerkschaft ein wenig entgegenzukommen.
Das ist entweder heuchlerisch oder dumm. Vermutlich beides. Die Privatisierung städtischer Betriebe hat schließlich als Hauptzweck den Unterbietungswettbewerb beim Lohn und den Arbeitsbedingungen. Wenn die Stadt oder die Stadtwerke den Betrieb von Buslinien ausschreiben, erhält das Busunternehmen den Zuschlag, der die Strecke am billigsten abfahren kann. Der Lohn ist der bei weitem wichtigste Kostenfaktor für diese Unternehmen. Wer am wenigsten zahlt, gewinnt. Das System wurde vor etwa 15 Jahren eingeführt. Es hat zu den gewünschten Ergebnissen auch deshalb geführt, weil die Privatisierungsschritte klein waren. Die Arbeitsplatzbesitzer waren zunächst nicht betroffen. Der Widerstand dagegen hielt sich in Grenzen.
Der Streik der Busfahrer bei den billigen Anbietern ist notwendig. Er muss zu einer Anhebung des Ecklohns führen. Ob das Eingehen auf die Schlichtung mit Friedenspflicht die richtige Taktik ist, muss aber bezweifelt werden. Selbst wenn jetzt ein Teilerfolg gelingt, wird dasselbe Problem überall wieder auftauchen. Die herrschende neoliberale Politik hatte die Privatisierung durchgezogen, um das Lohnniveau generell zu senken. Die Gewerkschaft muss sich auf einen langen Kampf einrichten, der das politische Ziel hat, überall die Privatisierung öffentlichen Eigentums rückgängig zu machen.