Türkei nimmt nicht mehr am Krieg gegen Syrien teil

Frontwechsel im Nahen Osten

Von Lucas Zeise

Der Putschversuch von Teilen des türkischen Militärs Mitte Juli gegen die Regierung hat die Fronten im Krieg auf dem Schauplatz Syrien, aber auch im weiteren Nahen Osten verändert. Den spektakulärsten Kurswechsel vollzog dabei die Türkei selbst. In der vergangen Woche skizzierte der türkische Ministerpräsident die veränderte Außenpolitik seines Landes. Wichtigster Punkt dabei: Der Krieg gegen die Regierung Assad in Syrien wird beendet.

Die Zeitung „Die Welt“ kommentiert den Wandel wie folgt: „Sämt­liche Grundsätze, die seit Beginn des Bürgerkriegs im Nachbarland 2011 gegolten hatten, sind über den Haufen geworfen.“ Die Türkei habe eine Kehrtwende vollzogen, die ihresgleichen suche. Kehrtwende ist wohl das richtige Wort. Aber ohne Beispiel ist eine solche Kehrtwende nicht. Die AKP-Regierung selbst hat eine solche Kehrtwende schon einmal vollzogen. Als die AKP 2002 nach Parlamentswahlen Regierungspartei wurde, vertrat sie eine Außenpolitik, die problemlose und friedliche Beziehungen mit den Nachbarn des Landes anstrebte. Erst als die westlichen Staaten im Zuge des „Arabischen Frühlings“ 2011 erst Libyen und dann Syrien zu Gegnern erklärten, vollzog die türkische Regierung die Wende zum Krieg gegen Assad.

Auch andere Akteure verändern ihre Politik. Im Krieg/Bürgerkrieg, der auf dem Boden der Staaten Irak und Syrien seit Jahren stattfindet, werden die Frontlinien dadurch noch weniger übersichtlich. Die selbstständigen kurdischen Einheiten in Syrien sind in den letzten Tagen in Gefechte mit Einheiten der syrischen Truppen geraten. Die gegenseitige Tolerierung der Kurden und der syrischen Regierung scheint ein Ende zu finden, während die Türkei unverändert die Kurden im eigenen Land und die in Syrien bekämpft. Wie weit die Türkei jetzt auch gegen den so genannten „Islamischen Staat (IS)“ aktiver vorgeht und die Wirtschaftsbeziehungen zu ihm zu kappen versucht, ist noch offen. Das entsetzliche Attentat mit 54 Toten auf eine vorwiegend kurdische Hochzeitsgesellschaft in Gaziantep nahe der Grenze zu Syrien wurde vielfach als Racheakt des IS gegen die veränderte Politik der Türkei gewertet.

Eine neue Entwicklung ist auch, dass die iranische Regierung es zeitweise russischen Flugzeugen ermöglichte, vom Iran aus ins syrische Kampfgebiet zu fliegen. Ob eine solche militärische Zusammenarbeit dauerhaft sein wird, ist offen. Die Türkei hat mittlerweile auch die diplomatischen Beziehungen zu Israel wieder aufgenommen.

Die Gründe für den Politikwechsel Ankaras muss man nicht lange suchen. Es sieht so aus, dass die türkische Regierung die USA in Verdacht hat, den Putschversuch der Generäle im Juli inspiriert oder zumindest toleriert zu haben. Ihre Beschuldigung der Gülen-Bewegung als die Hauptverantwortliche für den Putsch stellt die diplomatische Form dar, den Verdacht zu äußern, aber den ganz großen Krach einschließlich des Austritts aus der NATO zu vermeiden.

Nimmt man an, dass die USA tatsächlich, wie schon mehrfach in der Vergangenheit, einen Regime-Change in der Türkei herbeiführen wollten, müsste man feststellen, dass auch dieses Mal (wie zu Beginn des Syrien-Krieges und bei der Entdeckung des IS als Hauptgegner) die Initiative zur Umgruppierung von den USA ausgegangen ist. Der türkischen Regierung blieb nichts anderes übrig, als sich nach neuen Bundesgenossen umzusehen. Daher der Schwenk in Richtung Russland. Am 9. August war Erdogan nach St. Petersburg gereist, um sich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu treffen. Der Strategiewechsel einschließlich des Endes von Wirtschaftssanktionen sowie die Wiederaufnahme eines Gaspipeline-Projektes wurden dort besprochen.

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"Frontwechsel im Nahen Osten", UZ vom 26. August 2016



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