Armut und Stromsperren nehmen zu – Privathaushalte bezahlen den billigen Strom für die Großverbraucher

Frieren für die Monopole

Von Philipp Kissel

Antek hat viele Jahre in Deutschland gearbeitet. Er schuftete auf dem Bau und in Fabriken fern von seiner Heimat Kroatien. Ein bisschen Geld konnte er nach Hause schicken, aber als die Rentenzeit kam, war das Geld zu knapp. Die Knochen waren kaputt, aber die Rente reichte nicht zum Leben. Antek wollte aber auf keinen Fall zum Jobcenter, weil er sich schämte. Das Geld wurde immer knapper und die Mahnungen kamen.

Auch der Stromversorger wollte sein Geld und drohte die Sperrung an. Aber es war dennoch nicht genug Geld da, um Essen und Strom und Heizung zu bezahlen. Die Sperrung wurde durchgeführt und der Strom abgeschaltet und damit auch zugleich die Heizung, die mit Strom betrieben wurde. Drei Monate hielt Antek aus, dann ging er doch zum Jobcenter und fragte, ob sie die Stromkosten übernehmen könnten. Die Antwort war: Nein, gehen Sie wieder nach Hause.

Ein Freund erzählte Antek, dass es da einen Verein gebe, der weiterhelfe und er solle da mal hingehen. Nach einigem Hin und Her konnte der Verein durchsetzen, dass die Stromschulden übernommen werden und die Versorgung wiederhergestellt wird.

Anteks Fall ist einer von rund 352 000, denen 2014 der Strom abgeschaltet wurde – ein Rekordwert. Auch die Gasabsperrungen sind in den letzten vier Jahren um 40 Prozent gestiegen. Diese Zahlen gehen aus dem neuen Monitoringbericht der Bundesnetzagentur hervor.

Die Strompreise sind für den Otto-Normal-Verbraucher mit rund 29 Cent pro Kilowattstunde weiterhin sehr hoch und doppelt so hoch wie 2002. Das können sich immer mehr Menschen nicht leisten. Die Stromversorger in Deutschland gehen gegen Schuldner rabiat vor. Wer schon 100 Euro Schulden hat, dem wird die Sperrung angedroht und wer dann nicht zahlt, dem wird der Strom abgedreht.

Nach § 19 der Stromgrundversorgungsverordnung ist das den Unternehmen erlaubt, obwohl klar ist, dass das für die betroffenen Menschen schwerwiegende bis gesundheitsgefährdende Konsequenzen hat. Laut dem Monitoringbericht betrug der durchschnittliche Rückstand 120 Euro. In anderen Ländern gibt es zumindest für die Winterzeit ein Verbot der Stromsperre.

Der Anstieg der Stromsperren zeigt: Die Armut nimmt zu. Wer sich Strom und Heizung nicht leisten kann, wird wahrscheinlich vorher schon am Essen gespart haben: 2014 hatte jeder dritte Erwerbslose aus Geldmangel Schwierigkeiten, mindestens jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit einzunehmen. Das geht aus Daten hervor, die von der stellvertretenden Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Linken, Sabine Zimmermann, vom Statistischen Bundesamt angefordert wurden. Innerhalb eines Jahres sei die Zahl der Betroffenen um 48 000 auf 1,07 Millionen angestiegen. Jeder fünfte Erwerbslose habe demnach auch Probleme, die Miete oder Rechnungen für Versorgungsleistungen rechtzeitig zu bezahlen. Diese Zahl sei um 62 000 auf 590 000 angestiegen. 18,4 Prozent der Arbeitslosen konnten laut Angaben des Bundesamtes aus finanziellen Gründen ihre Wohnung nicht ausreichend heizen.

Deutschland weist mit 29,74 ct/kWh für private Haushalte den zweithöchsten Preis der 28 EU-Mitgliedstaaten auf. Wie kommt dieser hohe Strompreis zustande? Der Monitoringbericht gibt die Antwort: Der Grund ist der höhere Anteil an Umlagen, Steuern und Abgaben.

Im EU-Durchschnitt entfallen 6,55 ct/kWh auf Umlagen, Steuern und Abgaben, während dieser Anteil in Deutschland mit 15,34 ct/kWh mehr als doppelt so hoch ausfällt. Dagegen liegt der um alle Steuern, Umlagen und Abgaben bereinigte Preis mit 14,40 ct/kWh im europäischen Mittelfeld und ungefähr auf dem Niveau von 2002.

Was macht der Staat mit diesen Steuern und Abgaben? Angela Merkel und Sigmar Gabriel wollen weismachen, damit würde die Energiewende finanziert, damit man endlich die Atomkraft loswerde. Selbst wenn diese Umstellung der Energieerzeugung tatsächlich Geld kostet, ist schon von vornherein klar, dass ihn die arbeitende Bevölkerung zahlen muss und nicht die Unternehmen. Für diese ist die Frage der Energie relevant für den Profit.

Wie sahen die Kosten für Energie für die Industrie im Vergleich aus? Der europäische Durchschnitt ohne Abgaben und Steuern beträgt 7,24 ct/kWh. Der abgabenbereinigte Preis liegt für Deutschland mit 6,27 ct/kWh deutlich (rund 1 ct/kWh) unter dem europäischen Mittelwert, in Großbritannien beträgt er mit 11,76 ct/kWh fast das Doppelte. Allerdings profitieren vor allem die großen und energieintensiven Unternehmen von der Befreiung von den Steuern und Abgaben. Für die lohnt es sich aber, sie werden immerhin um fünf Milliarden Euro jährlich entlastet.

Um welche Unternehmen und Branchen handelt es sich dabei? Eine Studie des Fraunhofer-Instituts ergab, dass 70 Prozent des Stromverbrauchs des verarbeitenden Gewerbes bei den Unternehmen von Chemie, Papier, Stahl, Aluminium, Kupfer und Textil liegt und etwa 27 Prozent des gesamten Stromverbrauchs ausmacht. Damit für sie der Gewinn noch stimmt, muss ihr Stromverbrauch subventioniert werden.

In der Studie heißt es, dass sich im Vergleich zeigt, dass die stromintensiven Großverbraucher von Metall und Chemie in allen Ländern die niedrigsten Strompreise erhalten. Für die großen Verbraucher kommt so ein noch niedrigerer Strompreis raus. Die mittleren Strombezugspreise für Indus­trieunternehmen mit einem Verbrauch zwischen 70 und 150 Gigawattstunden im Jahr betrugen 2013 4,68 ct/kWh. Laut Institut sei das auch notwendig, damit der Export stabil bleibe und Beschäftigung sichere.

Gleichzeitig rechnet die Studie aus, dass die Abschaffung der Ausnahmeregelungen die Umlagen senken könnten und die Haushalte jährlich über zwei Milliarden Euro entlasten könnte. Also heißt es: Weiter frieren für die Profite der Monopole.

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"Frieren für die Monopole", UZ vom 4. Dezember 2015



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