Zur jüngsten Eskalation im Norden Syriens

Friedliche Besatzung?

Wieder einmal reisten US-Parlamentarier illegal in den Nordwesten Syriens, der von der Türkei kontrolliert wird. Die Reise galt Verhandlungen mit Vertretern der sogenannten Syrian National Army (SNA). Das Ziel war unter anderem, eine Zusammenarbeit zwischen der SNA und arabischen Stammesorganisationen zu fördern. Aus Sicherheitsgründen musste der Besuch abgekürzt werden. Tage später brach die Hölle los.

Im Nordosten Syriens luden die kurdischen SDF („Syrian Democratic Forces“) den arabischen Vorsitzenden des Militärrats, Ahmad Abu Khawla, zu einem hochrangigen Meeting ein – es war eine Falle. Ahmad Abu Khawla wurde verhaftet. Es war der Tropfen, der das Fass überlaufen ließ. Schwere Kämpfe brachen aus zwischen den SDF und der arabischen Organisation, Ortschaften wurden besetzt, befreit, belagert, mit schwerer Artillerie der SDF beschossen. Arabische Einheiten hatten offenbar bedeutende Gewinne gemacht. Weitere arabische Einheiten, die bisher mit den SDF zusammengearbeitet hatten, schlossen sich dem Aufstand an. Es brauchte gepanzerte Fahrzeuge der SDF en masse, Hubschrauber der US-Armee und eine Ausgangssperre, um nach Tagen und mehreren Dutzend Toten die Situation zu beruhigen.

Ob die Vorwürfe der Korruption und Misswirtschaft gegen Ahmad Abu Khawla zu Recht bestehen oder nicht, war für die arabischen Teilnehmer an diesem Aufstand belanglos. Ihr Protest galt der jahrelangen Politik der USA und ihren Verbündeten der SDF, die das Land ausplünderten und die Rechte der Araber missachteten. Für die von der Türkei unterstützte SNA war es die Gelegenheit, ihrerseits den Kampf gegen die SDF zu forcieren. Die SNA versuchte, arabische Unterstützung für ihre Milizen zu finden und griff Stellungen der SDF an, die türkische Armee griff Stellungen der syrischen Armee an.

Der Emir einer der arabischen Organisationen, Al-Muslat, betonte: „Der Krieg (der SDF) richtet sich nicht gegen eine Person oder einen Rat, sondern gegen die gesamte arabische Bevölkerung.“ Und er fügte hinzu: „Wir sind nicht der IS und nicht wir bringen ausländische Soldaten ins Land und vertreten ausländische Interessen …“

Diese Tage markieren das Ende der Mär einer angeblich friedlichen Besetzung von Teilen Syriens durch die USA und ihre kurdischen Verbündeten auf der einen und der Türkei auf der anderen Seite.

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"Friedliche Besatzung?", UZ vom 8. September 2023



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