Am 3. Oktober demonstrierten im sächsischen Torgau mehrere Hundert Menschen aus Ost und West für Frieden und Völkerverständigung. Sie holten damit die wegen der Coronapandemie abgesagte und von der DKP initiierte Friedensdemonstration am Tag der Begegnung, dem sogenannten Elbe -Day, im April nach. Der Tag erinnert an den Handschlag sowjetischer und us-amerikanischer Soldaten am 25. April 1945 an der Elbe und die Befreiung von Faschismus und Krieg. Heute ist die Kriegsgefahr vor allem durch die NATO-Aggression gegen Russland und China wieder riesig, Europa als Kriegsschauplatz in denkbare Nähe gerückt.
Da war es gut, am 3. Oktober den heuchlerischen Einheitsfeiern entgehen zu können, an die DDR als Friedensstaat zu erinnern und in ihrem Vermächtnis auf die Straße zu gehen: Für Frieden und Völkerfreundschaft. Wir dokumentieren im Folgenden die Rede von Männe Grüß, Landesvorsitzender der DKP Brandenburg. Es sprachen neben weiteren auch Thorsten Schleip (DFG/VK), Rainer Braun (Kampagne Stop Air Base Ramstein) und Patrik Köbele (Vorsitzender der DKP).
Liebe Friedensfreunde, liebe Genossinnen und Genossen,
ich begrüße recht herzlich zum heutigen Gedenken in Torgau – und ich möchte mich gleich zu Beginn ganz herzlich bei den Veranstaltern bedanken:
Erstens dafür, dass Ihr im Zuge der Infektionsschutzmaßnahmen der Regierenden den Elbe Day nicht habt ausfallen lassen, sondern daran festgehalten habt, dass der „Geist der Elbe“ 75 Jahre nach der Befreiung vom deutschen Faschismus hier in Torgau weiterlebt. Zweitens möchte ich mich aber bei den Ausrichtern ausdrücklich für die politische Weitsicht bedanken, das Gedenken zum Elbe Day ausgerechnet auf den 3. Oktober zu verlegen. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie mir als Potsdamer – wo heute die zentralen sog. „Einheitsfeiern“ stattfinden – ein Stein vom Herzen gefallen ist. Eure Terminverlegung hat es mir ermöglicht, am 3.10. dem großdeutschen Einheitstaumel in Potsdam zu entfliehen und an diesem Tag nach Torgau zu emigrieren. Dafür sage ich DANKE!
Und ich sage in diesem Sinne: Am 3. Oktober gibt es keinen Grund zum Feiern – es gibt aber – dank Euch – einen guten Grund zu demonstrieren – für ein Deutschland, wie es Bertolt Brecht in der Kinderhymne sprach,
(vor dem) „die Völker nicht erbleichen
Wie vor einer Räuberin
Sondern ihre Hände reichen
Uns wie andern Völkern hin.“
Für ein solches Deutschland zu demonstrieren kann nur heißen, an diesem Tag dem ersten und einzigen deutschen Friedensstaat zu gedenken. Ob der deutsche Waffengang gegen Jugoslawien, ob deutsche Soldaten im NATO-Einsatz an der russischen Grenze, ob Kriegseinsätze gegen Afghanistan, Syrien oder in Mali: 30 Jahre ohne die Deutsche Demokratische Republik haben ausgereicht, dass die Völker in Europa und auf der Welt wieder erbleichen vor Deutschland wie vor einer Räuberin – bzw. richtig: vor einem Räuber mit Namen deutscher Imperialismus und seinem transatlantischen großen Bruder. Sich 75 Jahre später zum Friedensschwur von Torgau zu bekennen, den US-amerikanische und sowjetische Soldaten am 25. April 1945 geleistet haben, kann also nur heißen: Frieden mit allen Völkern – kein Frieden mit der NATO – kein Frieden mit der EU – kein Frieden mit dem Imperialismus.
Liebe Friedensfreunde,
Ihr alle kennt die Redewendung „Eulen nach Athen tragen“ – eine höfliche Umschreibung dafür, jemandem etwas zu sagen, was er eh schon weiß. Ich komme heute nicht umhin, die ein oder andere Eule nach Athen zu tragen. Ich trage Eulen nach Athen, wenn ich Euch sage, dass seit dem Sieg über den deutschen Faschismus, die Gefahr eines großen Krieges in Europa noch nie so groß war wie in unsere Zeit:
• Wir mussten im letzten Jahr erleben, dass die USA den Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) gekündigt hat. Wir erleben jetzt, wie die USA auch an den letzte nuklearen Rüstungskontrollvertrag zwischen mit Russland die Axt anlegen: dem sogenannten START-Abkommen, das eine Reduzierung strategischer Trägersysteme für Atomwaffen vorsieht. Und ausgerechnet in dieser Zeit wirbt die Merkel-Regierung für den Verbleib von US-Soldaten in Deutschland – anstatt einen sofortigen Abzug aller US-Atomwaffen aus Deutschland durchzusetzen. Das ist die wachsende Kriegsgefahr in Europa, die ich meine.
• Wir erleben gleichzeitig, wie die Wahl eines belarussischen Präsidenten oder die vermeintliche Vergiftung eines russischen Staatsbürgers in deutschen Redaktionen und Ministerien ausreichen, um zum Putsch in Belarus zu mobilisieren und im Falle Nawalny offiziell die NATO einzuschalten. Um auch nur im Ansatz zu verstehen, wie ungeheuerlich diese Hetze ist, stelle man sich vor: Ein deutscher Staatsbürger erleidet während eines Fluges ein Zusammenbruch. Seine Familie erwirkt die Verlegung nach Moskau – und der russische Außenminister Lawrow fordert Merkel auf, ihre Unschuld bei der Vergiftung des deutschen Staatsbürgers zu beweisen, während regelmäßig atomwaffenfähige russische Flugzeuge und Soldaten an der deutschen Grenze Übungen durchführen.
Ganz ehrlich: Was ist das anderes als die Vorbereitung eines Angriffskrieges – verboten nach Artikel 26, Abs. 1 des Grundgesetzes? Das ist die wachsende Kriegsgefahr, die meine.
Und nicht zuletzt: Wir erleben in unseren Tagen, wie die USA neben Handelskriegen und Schadensersatzforderungen für das „Chinesische Virus“ mit einem Großaufgebot an Kriegsschiffen im Südchinesischen Meer mobil macht gegen die Volksrepublik China. Statt sich dieser Kriegsspirale zu entziehen, setzt die deutsche Kriegsministerin AKK auch in diesem Fall voll und ganz auf die NATO, wenn sie fordert, Deutschland müsse helfen, Chinas Machtanspruch einzudämmen, indem (Zitat) „wir mit unseren Verbündeten Präsenz in der Region zeigen“. Das ist die wachsende Kriegsgefahr im Weltmaßstab, die ich meine.
Ich sagte: Ich trage Eulen nach Athen, wenn ich Euch auf diese steigende Kriegsgefahr hinweise – und ich höre damit jetzt auf. Aber mit einem, liebe Friedensfreunde, dürfen wir auf keinen Fall aufhören: Wir dürfen nicht aufhören, Friedenstauben nach Torgau zu tragen – heute – im nächsten Jahr – jederzeit. Frieden und Freundschaft mit Russland, mit Belarus und China – das muss unser Schwur am Elbe Day 2020 sein!
Liebe Friedensfreunde,
wie ich eingangs erwähnte, musste das Gedenken zum Elbe Day in diesem Jahr aufgrund der Infektionsschutzmaßnahmen verschoben werden. Die letzten Monate haben uns und breiten Teilen der Bevölkerung viel abgerungen, so dass ich falsch fände, dieses Thema hier heute auszusparen. Und ich möchte Euch etwas ans Herz legen, was mich die letzten Monate bewegt. Ich möchte eine Appell an uns richten: Lassen wir nicht zu, dass die Herrschenden uns spalten entlang der Frage, wie wir das Coronavirus einschätzen. Lasst auf keinen Fall zu, dass Tragen oder Nicht-Tragen eines Mundnasenschutzes zur entscheidenden politischen Frage unserer Zeit hochstilisiert wird in unserer Bewegung.
Die Planungen der Bundesregierung für den Bundeshaushalt zeigen doch: Während der Kriegsetat um 2,6 Prozent auf fast 47 Milliarden Euro steigt, sinkt der Gesundheitsetat um über 40 Prozent auf 24 Milliarden – also fast auf die Hälfte des Kriegsetats! Angesichts dieser Aufrüstung auf unsere Kosten können wir uns keine weitere Spaltung erlauben.
Wir brauchen stattdessen die Einheit – die Einheit im Widerstand gegen eine Regierung, die allein durch ihre Kriegsmobilisierung deutlich macht, dass ihr der Gesundheitsschutz der eigenen Bevölkerung scheißegal ist, wenn es darum geht die Ausbeuterordnung der Superreichen mit Krieg durchzusetzen.
Folgen wir Brecht, als er schrieb:
„Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen,
damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde!
Lasst uns die Warnungen erneuern,
und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind!
Denn der Menschheit drohen Kriege,
gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind,
und sie werden kommen ohne jeden Zweifel,
wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten,
nicht die Hände zerschlagen werden.“
Also reichen wir den Völkern die Hände und zerschlagen wir die Hände der NATO-Krieger – Druschba – Friendship – hoch die internationale Solidarität – das ist die Botschaft des Elbe Days 2020!