Die Bundesregierung als kriegführende Partei stärker kritisieren

Friedensratschlag sucht mehr Klarheit

Von Lucas Zeise

Die Waffen nieder! Alle Kriege beenden!“ Das sind die beiden richtigen und wichtigsten Forderungen der Friedensbewegung. Die Ko-Sprecherin des Friedensratschlags Anne Rieger trug sie in der Abschluss­erklärung des diesjährigen und 23. Treffens am vergangenen Wochenende noch einmal vor. Die 400 Teilnehmer diskutierten in 30 Veranstaltungen wie jedes Jahr sehr intensiv über Kriege, Kriegsgefahr, Kriegstreiber und Opfer.

Der Zustand der Friedensbewegung im Land wurde vor allem in den Pausen erörtert. Er ist, gemessen an dem was notwendig wäre, noch nicht auf dem wünschenswerten Niveau. Obwohl die Menschen im Land – auch nach den von der herrschenden Politik in Auftrag gegebenen Meinungsumfragen – die forcierte Aufrüstung und das Großmachtstreben der deutschen Regierungen mehrheitlich ablehnen, ist es der Friedensbewegung nicht gelungen, ihre Forderungen machtvoll auf die Straße zu tragen. Als „Schritt nach vorn“ bewertet Frank Skischus, ein weiterer Sprecher des Bundesausschuss Friedensratschlag, die Demonstration am vergangenen 8. Oktober. Es sei zu einer gemeinsamen Erklärung und zur gemeinsamen Aktion der Friedensorganisationen gekommen, wobei es „keine Gleichsetzung von Russland und der NATO“ gegeben habe.

Skischus räumt Fehler ein. Der vom Westen geplante Umsturz in der Ukraine und die darauf folgende Welle der Montagsmahnwachen habe die traditionelle Friedensbewegung „kalt erwischt“. Der teils berechtigte, teils unberechtigte Vorwurf, man laufe Gefahr, sich nach rechts zu öffnen, habe die Friedensbewegung gebremst, nicht aktiviert. Es gebe immer noch die „Angst, da könne uns jemand oder etwas untergejubelt werden“. „Ich halte nicht viel von der These, dass die ‚Querfront‘ für die Friedensbewegung eine reale Gefahr darstellt, dazu sind wir viel zu wachsam“, sagt Skischus. Diese Gefahr werde von den „Antideutschen“ bewusst vorgetragen und immer wieder ins Spiel gebracht. Im Zuge dessen sei auch „unser ganz enges Verhältnis zur VVN belastet worden.“

Als eine Schwäche bewertet Skischus es auch, dass es der Friedensbewegung seinerzeit zu spät gelungen sei, den Afghanistankrieg als das in der Öffentlichkeit zu bezeichnen, was er war: ein Krieg, an dem Deutschland bis heute beteiligt ist. Es habe überhaupt manchmal „an Klarheit gefehlt“, räumt er ein. Eindeutig ablehnend allerdings sei die Position des Friedensratschlags gegen die „Regime-Change-Politik“ und die Neigung in den grünen Reihen zu „humanitären Interventionen“. Das in Syrien sei Krieg. Warum gegen den Irakkrieg viele Tausende demonstriert haben, während im ganz ähnlich gelagerten Krieg gegen Syrien fast Stille herrsche, erklärt Skischus mit der desorientierenden Berichterstattung. „Wir müssen die Bundesregierung stärker kritisieren – als kriegführende Partei.“ Darauf sollten die Kampagnen zugespitzt werden. „Da sind wir nach dem 23. Friedensratschlag mit seinen vielen (auf-)klärenden Veranstaltungen und Diskussionen auf einem guten Weg.“

Im Schlusswort von Kassel heißt es: „Deswegen rufen wir auf zu Protesten gegen die Münchner Sicherheitskonferenz, zu den Ostermärschen, dem Hiroshima- Nagasaki- und Antikriegstag, den Aktionen vor militärischen Einrichtungen und zu den Aktionen gegen den G 20-Gipfel in Hamburg. Und lasst uns zusätzlich nachdenken über große regionale Friedensaktionen an einem gemeinsamen Tag.“

In zahlreichen Vorträgen und Diskussionsrunden bot der Friedensratschlag eine detaillierte Darstellung des Imperialismus (obwohl das Wort „Imperialismus“ eher selten fiel). Conrad Schuhler vom isw in München trug eine umfassende Darstellung des Terrorismus bei. „Mehr Kriege führen zu mehr Terror“, stellte er fest und belegte das mit den Entwicklungen in vielen Teilen der Welt. Der von George W. Bush ausgerufene „Krieg gegen den Terror“ habe sich als eine wichtige Ursache für mehr Terror in der Welt herausgestellt. Erhard Crome (Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin) hielt den neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump „vielleicht für das kleinere Übel“ und nannte unter anderem dessen Ablehnung der Freihandelsverträge wie TTIP als einen Grund für dieses Urteil.

Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, befasste sich mit der aktuellen Entwicklung in der Türkei und stellte dabei heraus, wie die deutsche Regierung die Türkei als „Plattform für die geopolitischen Ambitionen Deutschlands“ zu nutzen versuche. Frau Merkel sei der „Bethmann-Hollweg unserer Tage“, sagte sie und erinnerte an die Entschlossenheit des deutschen Reichskanzlers während des Ersten Weltkriegs, das Osmanische Reich an sich zu binden. Eine ähnliche Strategie verfolge die deutsche Regierung in Bezug auf die Kurden, stellte in einem Seminar zur aktuellen Lage im Irak Joachim Guillard vom Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg fest. Mit den Kurden oder deren rückschrittlichstem Teil schlösse Deutschland Waffengeschäfte ab ohne Rücksicht auf den souveränen Staat Irak. Die aktuelle Offensive gegen den „Islamischen Staat IS“ in Mossul werde von sehr unterschiedlichen Kräften mit sehr unterschiedlichen Interessen vorgetragen. Das Interesse der USA und ihrer Verbündeten sei es jedenfalls keinesfalls, die staatliche Einheit des Iraks wiederherzustellen.

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"Friedensratschlag sucht mehr Klarheit", UZ vom 9. Dezember 2016



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