Die Bitte des deutschen Bundeskanzlers, Munition an Kiew zu liefern, beantwortete Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva Ende Januar mit nein. Er schlug die Bildung eines „Friedensklubs” zur Beendigung des Ukraine-Krieges vor. Beim Antrittsbesuch in Washington am 10. Februar traf er sich nicht nur mit US-Präsident Joseph Biden, sondern auch mit linken Abgeordneten und warnte davor, ein globales Netz rechter Kräfte bedrohe weiterhin Frieden und Freiheit, die Linke müsse sich dagegen international organisieren. Am 29. März blieb Lula dem „Gipfel für Demokratie” in Washington fern und verweigerte die Unterschrift Brasiliens, weil er „mit der Benutzung des Forums zur Abstrafung Moskaus nicht einverstanden” sei.
Nun hat sich Lula in Washington und Berlin erneut unbeliebt gemacht. Bei der Amtseinführung von Dilma Rousseff – von 2011 bis 2016 seine Nachfolgerin als Präsidentin Brasiliens – als Chefin der Neuen Entwicklungsbank (NDB) der BRICS-Staaten in Shanghai kritisierte er am 13. April die Rolle des Internationalen Währungsfonds (IWF) in den Entwicklungs- und Schwellenländern: „Kein Regierungschef kann mit dem Messer an der Kehle arbeiten, weil er Geld schuldet.” Er wies auf das Beispiel Argentinien hin und verlangte, die Dominanz des US-Dollars im internationalen Handel zu beenden. Bei seinem Besuch in China kamen insgesamt 28 Abkommen in Handel, Finanzen, Raumfahrt und Wissenschaft zustande.
Am 14. April traf Lula Chinas Präsident Xi Jinping in Peking und nutzte die Gelegenheit, um zur Ukraine zu erklären, die USA müssten „aufhören, den Krieg zu fördern und anfangen, über Frieden zu reden. Die EU muss anfangen, über Frieden zu reden.” Die Antwort aus Washington kam am Montag: Lula plappere „russische und chinesische Propaganda nach, ohne sich überhaupt die Fakten anzuschauen”, ätzte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby. Fast zur gleichen Zeit empfing Lula den russischen Außenminister Sergej Lawrow im Präsidentenpalast in Brasília. Der hatte zuvor erklärt: „Wir sind daran interessiert, den Konflikt so bald wie möglich zu lösen.”
Nicht am Frieden interessiert zeigte sich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die am selben Tag wie Lula in China landete und freundlich empfangen wurde. Sie verlangte mehrfach eine Distanzierung Pekings vom „Aggressor Russland”, behauptete, China bedrohe Taiwan und die Welt, und klagte über Menschenrechtsverletzungen. Das veranlasste ihren chinesischen Amtskollegen Qin Gang zu der Bemerkung: „Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister aus dem Westen.” Baerbock reiste über Südkorea zum G7-Außenministertreffen in Japan weiter, das folgerichtig am Montag mit einer Drohung endete: Wer Russland im Krieg unterstütze werde einen „hohen Preis” zahlen. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums nannte am Dienstag die Behauptungen zu China in der Abschlusserklärung „böswillige Verleumdung” und fügte hinzu, die G7-Erklärung sei „voller Arroganz, Vorurteilen und finsteren Absichten, um sich China entgegenzustellen und es zu unterdrücken”. Baerbock und der Westen wollen wie gewohnt Krieg, Lula lässt sich im Kampf um Frieden nicht beirren.