Zur angeblich neuen Afghanistan-Strategie der USA (Teil 1 des Artikels erschien in der UZ vom 31. August)

Frieden nicht erwünscht

Von Matin Baraki

Auf dem Pressefest

Samstag, 8. 9., 14.30 Uhr, MASCH-Bereich in der Kunst-und-Kultur-Halle

Matin Baraki diskutiert: „Iran im Fokus“

Die afghanische Regierung soll mehr Hilfe erhalten, um mit der eigenen Armee gegen die Taliban zu kämpfen. Damit wird die Afghanisierung des Krieges, die von Barack Obama eingeleitet wurde, fortgesetzt. Gleichzeitig soll die Regierung in Kabul dazu gebracht werden, endlich stärker gegen Korruption und Misswirtschaft vorzugehen. Da die Korruption wie ein Krebsgeschwür den ganzen Körper des afghanischen Staates befallen hat, wäre die Lösung des Problems dann möglich, wenn man eine komplett neue Regierung schaffen würde. Alles andere ist nur das Wunschdenken der westlichen Besatzer. Trump schloss auch Verhandlungen mit den Taliban nicht aus, um irgendwann zu einem Frieden zu kommen. Aber „wie schon der frühere FBI-Direktor Comey sagte: ‚Mit Trump ist es, wie mit der Mafia zu verhandeln‘“, konstatierte die britische Zeitung „The Guardian“ am 11. Juli. Trumps Reise nach Großbritannien kommentierte der „Guardian“ so: „Der Präsident der Vereinigten Staaten sollte eigentlich unser wichtigster Verbündeter sein, mit dessen Land wir eine besondere Beziehung beanspruchen und mit dem wir grundlegende demokratische Werte teilen. Wenn so ein Führer auf die Grundlagen dieser Allianz spuckt und aktiv Werte und Interessen fördert, die den unseren feindlich gegenüberstehen, dann besagt die schwierige Lehre der Geschichte, dass er nicht geehrt und nicht beschwichtigt werden sollte. Wir unterstützen all jene, die friedlich und mit Würde gegen die Anwesenheit eines Präsidenten protestieren, der ein schlechter und unzuverlässiger Verbündeter ist.“

Wenn die westlichen Verbündeten den US-Präsidenten zum Teufel wünschen, wie könnte er ein zuverlässiger Verhandlungspartner des Widerstandes, das heißt der Taliban, sein? Daher kann man davon ausgehen, dass jede Verhandlung zwischen Trump und den Taliban von vornherein zum Scheitern verurteilt sein wird.

Nach Trumps Vorstellungen sollten Nachbarstaaten wie Pakistan stärker unter Druck gesetzt werden, damit sie nicht weiter zum Rückzugsort für die Taliban und Terroristen werden, die über die Grenze aus Afghanistan kommen. Diese Forderung der US-Regierung wird von niemandem ernst genommen. Sie wird seit Jahren wiederholt, ohne konkrete Maßnahmen. Außerdem solle sich auch Indien endlich mehr in dem Konflikt in seiner Nachbarschaft engagieren, forderte Trump. So eine Erwartung zeugt von absoluter Unkenntnis der Probleme in und um Afghanistan, besonders was die Beziehungen zwischen Pakistan und Indien betrifft und deren diametral entgegengesetzte strategische Interessen am Hindukusch.

Es muss deutlich betont werden, dass die „Neue US-Strategie“ für Afghanistan ein tot geborenes Kind ist, die aus dem hohlen Bauch eines ahnungslosen US-Präsidenten in die Welt gesetzt wurde.

Der Krieg, ob von NATO geführt oder afghanisiert, hat den Konflikt am Hindukusch nicht gelöst. Die Greater-Middle-East-Strategie (GME) der NEOCONS, welche die US-Regierung während des G-8-Gipfels von Sea Island im Juni 2004 als politische Agenda zur Umstrukturierung der Region Großraum Mittlerer Osten verkündet hatte, ist an den Bergen des Hindukusch zerschellt. Auch die Afghanisierung des Krieges unter Barack Obama ist im Sand verlaufen. Da Trumps Strategie keine Strategie, sondern eine Verstärkung der militärischen Eskalation ist, muss auch sie scheitern. Es ist längst an der Zeit, endlich den Frieden am Hindukusch zu afghanisieren. Dazu liegt seit langem ein von mir ausgearbeiteter 18-Punkte-Friedensplan vor. Das afghanische Volk will Frieden. Nach einem mehr als 700 Kilometer langen, viel beachteten 40 Tage dauernden Protestmarsch – ein Novum in der neuen Geschichte Afghanistans – quer durch das kriegszerrissene Land, ist eine Gruppe von Friedensaktivisten, die in der schwer umkämpften südafghanischen Provinz Helmand gestartet war, am 18. Juni 2018 in Kabul angekommen. Die Männer sangen im Chor „Wir wollen Frieden“. Zahlreiche Anwohner der Hauptstadt begrüßten die Demonstranten und skandierten Friedensparolen. Die Teilnehmer forderten eine Verlängerung der Waffenruhe zwischen Regierung und Aufständischen, Gespräche und einen Zeitplan für den Abzug aller ausländischen Truppen aus Afghanistan. Wie verhasst die ausländischen Truppen am Hindukusch sind, verdeutlicht ein Beispiel: Als 2008 Bundeswehrsoldaten während einer Patrouillenfahrt mit einem Wolf-Geländefahrzug in eine 15 Meter tiefe Böschung hinabstürzten und ein Soldat dort für kurze Zeit bewusstlos lag, eilten Einheimische zur Unfallstelle. „Die haben den Unfall wie einen Sieg gefeiert“, sagte der verletzte Soldat später.

Als der afghanische Präsident Ashraf Ghani am 12. Juni 2018 für die Feiertage am Ende des Fastenmonats Ramadan eine einseitige Waffenruhe angeordnet hatte, haben selbst der islamisch geprägte Widerstand, Taliban, Haqqani Netzwerk und andere, das Angebot sofort angenommen und ihrerseits die Kämpfe eingestellt. Im ganzen Land kam es zu Begegnungen und gemeinsamen Feierlichkeiten zwischen den Taliban und afghanischen Sicherheitskräften, die sich umarmten und als Brüder bezeichneten. „Sie sind unsere Brüder“, sagte eine Soldatin über die Taliban. „Taliban-Kämpfer und Regierungssoldaten lagen sich in Städten und Dörfern in den Armen, feierten drei Tage lang gemeinsam das Ende des heiligen Fastenmonats Ramadan.“

Frieden ist möglich, aber ist er auch gewollt? Die Profiteure des Krieges – die NATO und die korrupte, vom Westen eingesetzte und abhängige afghanische Administration – müssen dazu gezwungen werden, den Willen des afghanischen Volkes zu respektieren und den Weg für einen Frieden am Hindukusch ebnen.

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"Frieden nicht erwünscht", UZ vom 7. September 2018



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