Rede von Patrik Köbele auf dem Luxemburg-Liebknecht-Lenin-Treffen der DKP in Berlin

Frieden geht nur mit Russland und China!

Tausende kamen am vergangenen Wochenende zum politischen Jahresauftakt der Linken im Land nach Berlin, beteiligten sich an der Rosa-Luxemburg-Konferenz der Tageszeitung „junge Welt“ und der LL-Demonstration zum Friedhof der Sozialisten in Friedrichsfelde. Die DKP veranstaltete am Samstag ihr Luxemburg-Liebknecht-Lenin-Treffen. Wir veröffentlichen im Folgenden die Rede von Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, der unter anderem an die Bedeutung der Gründung der Sowjetunion vor 100 Jahren erinnerte:

Das Verhältnis zur Sowjetunion war, ist und bleibt ein Prüfstein für jede Kommunistin und jeden Kommunisten. Und weil wir hier in Berlin sind: Das gilt ebenso für das Verhältnis zur Deutschen Demokratischen Republik.

Aus einem Schreiben der Berliner Polizei: „In einer Pressemitteilung erklärt der Vorsitzende der DKP, dass der jetzige Versuch (das Zeigen der Fahnen der Sowjetunion und der Roten Armee zu verbieten) geschichtslos, reaktionär und ein Skandal sei, denn würde es die Sowjetunion und die Rote Armee noch geben, gäbe es den Krieg in der Ukraine nicht. Diese Ansicht wird zwar nicht näher erläutert. Der Kontext offenbart jedoch, dass der Vorsitzende der DKP die narrative Erzählung der Russischen Föderation zur Legitimierung des Angriffskriegs teilt. Denn seine Aussage ist im Kontext dahingehend zu verstehen, dass es den Krieg in der Ukraine zu dessen Entnazifizierung nicht geben müsste, wenn die Ukraine noch Teil der Sowjetunion wäre bzw. es die rote Armee noch gäbe, die die Menschen vom Faschismus befreit haben.“

Soweit das Zitat, was lernen wir daraus? Die Berliner Polizei hat Schwierigkeiten mit der Grammatik. Zweitens: Die Berliner Polizei liest unsere Presseerklärungen. Löblich. Und Drittens, das ist das Bedenkliche: Die Feststellung einer geschichtlich recht banalen Tatsache reicht heute aus, um in diesem Land einer Straftat verdächtigt zu werden – die heute verfolgt wird. Alle Bundesregierungen seit 1949 haben Angriffskriege des US-Imperialismus, von NATO-Staaten oder der NATO gebilligt, ja sogar unterstützt und mitgemischt, seit 1999, dem „vergessenen“ Krieg in Europa gegen Jugoslawien, führte jede Bundesregierung wieder selbst Angriffskriege – das interessiert weder die Polizei, die Gerichte, noch die bürgerlichen Medien. Das ist es, was wir meinen, wenn wir vom „reaktionären Staatsumbau“ sprechen.

Aber Baerbock in Charkow und Strack-Zimmermann in Taiwan, das ist Kriegstreiberei, das ist Zündeln an der Lunte. Ich habe nicht die Illusion, dass sie dafür belangt werden. Gerichte, Repressionsorgane, Geheimdienste haben einen Klassenauftrag. Trotzdem, diese Handlungen gefährden Menschen und Menschenleben, es macht das Land, das unseres sein sollte, zur Kriegspartei – das gehört bestraft.

Auf der anderen Seite zeigt uns die Berliner Polizei. An der Sowjetunion, der von Anfang an totgesagten, der vor mehr als 30 Jahren durch die Konterrevolution totgemachten, kommt immer noch keiner vorbei.

Warum? Erstens, die Sowjetunion war ein Friedensstaat. Das Dekret über den Frieden ist ihre Geburtsurkunde. Sie war ein Friedensstaat, weil ohne sie der Sieg über den Faschismus nicht möglich gewesen wäre. Sie war ein Friedensstaat, weil die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder den Imperialismus in Schach hielten. Sie war ein Friedensstaat, weil sie die Befreiung vieler Länder vom kolonialen Joch ermöglichte. Und sie war ein Friedensstaat, weil sie als Union der sozialistischen Sowjetrepubliken eine neue Form des Zusammenlebens verschiedener Völker praktizierte. Sie machte die Vision des friedlichen Zusammenlebens der Menschen unterschiedlichster Nationalitäten und Völker in einem Staat zur Realität.

Heute erleben wir, wie Nationalismus und Chauvinismus genutzt werden, um Menschen gegeneinander zu hetzen. Für Profite und dafür, dass keiner merkt, dass es um Profite geht. Wir werden nicht vergessen, dass das Gegenteil in der Sowjetunion und im RGW Realität war.

Nicht mit uns – wir erinnern: Da hat der Soldat das Gewehr umgewandt, da wurd er wieder Prolet, worauf sehr schnell vom Krieg abstand – die Generalität.

Die Gefahr der Eskalation der Kriege zum Weltenbrand, die Gefahr eines Atomkriegs, sie ist real und größer denn je. Die Bundesregierung tut alles, um zu eskalieren. Jetzt auch noch Schützenpanzer – hier wird probiert, wie weit man gehen kann. Die Menschen in der Ukraine sind Kanonenfutter der NATO, die Menschen in unserem Land sind Spielball einer unverantwortlichen Kriegstreiberei – die Ampel ist eine Koalition der Kriegstreiber, die Zeitenwende ein längst ausgearbeitetes Programm zur Stützung der NATO-Aggression und des imperialistischen Großmachtanspruch Deutschlands. Wir brauchen nicht den dritthöchsten Kriegsetat der Welt – wir brauchen Abrüstung, wir brauchen Diplomatie, wir brauchen die Milliarden für Soziales und Daseinsvorsorge.

Achtung, das ist keine Satire: Die Jungen Liberalen, Nachwuchs von Bourgeoisie und Großbürgertum, dieses Pack posiert mit einem Transparent „Krieg beenden – Panzer senden“ – ich wünsche denen einen Platz im Schützengraben, möglichst gemeinsam mit Strack-Zimmermann. Aber solches Pack landet im Kriegsfall vermutlich eher in der Etappe oder in Ministerien und Konzernetagen – Kanonenfutter wird das Proletariat, die Werktätigen und deren Jugend.

Noch ist es Satire, aber wie lange noch und Grüne marschieren mit einem Transparent „Frieden schaffen mit schweren Waffen“ vor das Kriegsministerium oder mit „Fracking und Braunkohle gegen Putin“ zur Unterstützung der Polizei nach Lützerath?

Jetzt muss ich leider Selbstkritik üben – wer macht das schon gerne. Angesichts der Kriegstreiberei von Baerbock, Habeck, Strack-Zimmermann und Scholz hatte ich tatsächlich gedacht und es, glaube ich, auch einmal gesagt – dass man sich den größeren Realismus von Frau Merkel zurückwünschen könne. Falsch. Mittlerweile haben der Ex-Präsident Frankreichs, Hollande und sie zugegeben, dass Minsk II nur ein Trick war, um der Ukraine und der NATO Zeit zur Aufrüstung zu geben. Damit geben sie zu, nicht nur die Vertragspartner, sondern auch den UN-Sicherheitsrat betrogen zu haben. Die Zeitung „Moskowski Komsomolez“ kommentiert: „Der Westen braucht jetzt nicht mehr zu verheimlichen, dass das Minsker Abkommen ein Täuschungsmanöver war. Denn es hat geklappt. Die ukrainische Armee wurde acht Jahre lang mit Waffen vollgepumpt, die ukrainischen Streitkräfte wurden zu einer richtigen regulären Armee umgebaut. Sie erwarb militärische Erfahrung, indem sie den Donbass ständig beschoss.“ Die Ampel will keine Diplomatie und Merkel zerschlägt das letzte Porzellan – das Land, in dem wir leben, ist ins diplomatische Aus manövriert.

Ich weite meine von der Berliner Polizei inkriminierte Aussage aus: Dass der deutsche Imperialismus so mit dem Feuer spielt, dass er unser Land immer tiefer in den Krieg verwickelt und die Gefahr steigt, dass Krieg dieses Land erreicht, das hätte es mit einer existierenden Sowjetunion, mit einer existierenden DDR, mit der Roten Armee und der Nationalen Volksarmee nicht gegeben.

Liebe Genossinnen und Genossen,

es scheint sich ja zu einer Tradition zu entwickeln, dass am Jahresanfang sogenannte „Silvesterkrawalle“ die Medien beherrschen. Zumindest habe ich vor ein paar Jahren hier schon einmal über Köln gesprochen. Nun wird viel über die Gewalt gesprochen, die in der Silvesternacht dem Staat angetan worden wäre.

Keine Frage, es ist bescheuert, sich zu treffen, um sich gegenseitig mit Feuerwerk zu beschießen. Es ist bescheuert und strafwürdig, Rettungs- und Hilfskräfte damit zu beschießen. Aber das Stichwort „Gewalt gegen den Staat“ baut nun doch eine Kulisse auf, die mit Sicherheit dem möglicherweise oft trunkenen Geist der Handelnden nicht gerecht wird. Schlimmer, und darum geht es vor allem: Es lenkt ab von Gewalt. Von Gewalt, die dieser Staat, die die politisch Verantwortlichen dieses Staates, die die herrschende Klasse in Permanenz der Gesellschaft antun. Ich nenne nur wenige Schlaglichter: Millionen Kinder sind arm, die Armut führt zu Krankheit, schlechter Bildung, Krankheit und Armutskarrieren.

Hochrüstung, Kriegspropaganda, nukleare Teilhabe – ein einziger Gewaltakt. Der neue deutsche imperialistische Großmachtanspruch, die imperialistischen Extraprofite aus der Ausbeutung schwächerer Ökonomien – Gewalt nach außen.

Die Tafeln, ohnehin eine Struktur, die, oftmals löblich von Menschen gemacht, trotzdem nur staatlich zugelassene Armut kaschiert, die die andere Seite von über 180 Milliarden Hochrüstung und Waffenlieferungen ist. Menschen sind gezwungen, in Löchern oder auf der Straße zu leben, während eine Essener Lokalzeitung Wohnungsbau feiert – von Wohnungen mit 100 Quadratmetern, Kaufpreis ab 480.000 Euro, oder von Villen mit 260 bzw. 300 Quadratmetern – Kaufpreis zwischen 2 und 3 Millionen Euro.

Altersarmut, Flaschensammeln – beides Massenerscheinungen. Hartz IV heißt jetzt Bürgergeld und ist damit wie Twix – geändert hat sich nix. 2021, also noch vor der aktuellen Preisexplosion, stieg die Zahl der Armen in unserem Land um 600.000 Menschen auf 14 Millionen Menschen an. Laut Paritätischem Wohlfahrtsverband leben in Deutschland 21 Prozent aller Kinder unter der Armutsgrenze.

Inflation – ich sage nur: Gaspreis hoch auf 250 Prozent und ein Kilo Gehacktes halb und halb 12,99, nicht beim Feinkoster in Essen-Bredeney, wo die Aldis wohnen, sondern beim Discounter in Essen-Stoppenberg, wo Normalos und Arme wohnen.

Die Inflation wirft Millionen in Armut, sie zerstört Altersvorsorge und Erspartes, sie bedroht die Daseinsvorsorge und wird zum Motor weiterer Privatisierung. Aber das Geld verschwindet ja nicht – was wir verlieren fließt in die Taschen der Rüstungskonzerne, was man uns wegnimmt, macht Lebensmittelkonzerne fett und lässt die Steuereinnahmen steigen. Die Inflation, das ist ein Ergebnis davon, wie wir für die Kriegskredite von heute bezahlen.

Und wo geht das Geld hin? Die Aktie von Rheinmetall stieg um 122 Prozent, die des französischen Drohnen- und Raketenherstellers Thales um 54 Prozent, der Kurs von Lockheed Martin, Hersteller der HIMARS-Raketenwerfer, um 42 Prozent.

Die Inflation ist ein Ergebnis des Kapitalismus und wird durch den Wirtschaftskrieg, der Russland ruinieren soll, verstärkt. Noch zieren sich wohl Teile des Monopolkapitals in Deutschland, den Wirtschaftskrieg auf Anforderung des US-Imperialismus auch auf China auszuweiten.

Wir sagen: Schluss mit dem Wirtschaftskrieg – stoppt die Sanktionen. Wir sagen „Pipelines sprengen unter Freunden – geht gar nicht.“ Wir sagen: repariert Nord Stream und nehmt die Pipelines in Betrieb.

Wir zahlen für Hochrüstung, NATO-Aggression und deutschen Großmachtanspruch. Und da kommen wir wieder zur Sowjetunion. Sie war der Grundstock für die spätere Bildung des RGW – und der RGW war die bislang in der Geschichte der Menschheit einzige Form der staatlichen Zusammenarbeit, die es geschafft hat, Hunger und Armut zu beseitigen.

Wir sind stolz in dieser Tradition zu stehen: Da hatte der Muschik den Bauch nicht voll, da las er dann ein Dekret, dass der das Korn jetzt essen soll, der auch das Korn abmäht. In dieser Tradition steht heute die Volksrepublik China – 400 Millionen Menschen aus der absoluten Armut herausgeholt – Gigantisch. In dieser Tradition steht Kuba, weil dort schon längst ein gutes Leben für alle da wäre, wenn diese dreckige, menschenfeindliche Blockade weg wäre. Kuba sí – Imperialismo no.

Aber die Sowjetunion, die sozialistischen Länder hatten das alles nicht nur in „ihrem“ Gebiet erreicht. Ich möchte der Berliner Polizei noch einen Satz zum Nachdenken geben. Mit einer existierenden Sowjetunion hätte es kein Hartz IV gegeben, gäbe es kein Bürgergeld und wären einige Millionen Menschen in unserem Land weniger arm.

Ja, die Sowjetunion war der Anfang vom Ende der Gewalt, die Kapitalisten, Regierungen der Gesellschaft und den Menschen antun – denn die Oktoberrevolution und fünf Jahre später die Sowjetunion, das war der Beginn der Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus im Weltmaßstab.

In dieser Epoche leben wir auch heute. Denn der Kapitalismus/Imperialismus zeigt in der ganzen Welt: wenn er das Ende der Geschichte wäre, dann wäre das das Ende der Menschheit. Kriege, Zerstörung der Umwelt, Armut, Hunger, Zerstörung der Gesundheitsversorgung, Zerstörung der Kultur und der Daseinsvorsorge – das und vieles mehr sind Symptome seiner allgemeinen Krise. Kapitalismus und Imperialismus sind die Krise der Menschheit.

Gibt es denn auch Grund zum Optimismus? Ja, den gibt es – denn was wir erleben – das ist der Kampf des Imperialismus, des US-Imperialismus, der NATO und der EU um den Erhalt ihrer Hegemonie – und die wackelt. Große Teile der Welt, in Lateinamerika, in Afrika, in Asien, wollen nicht mehr nach ihrer Pfeife tanzen. Ihre Aggression gegen Russland und ihre Zielrichtung gegen China kommt nicht von ungefähr. Wir erleben die Geburt einer neuen Weltordnung. Diese wird (noch) nicht die Hegemonie des Imperialismus durch eine Hegemonie des Sozialismus ablösen. Aber sie kann mehr Freiräume für den Kampf darum bieten. Das hört sich nach wenig an und ist auch nicht ungefährlich. Es kann der erste Schritt sein, scheinbar versteinerte Verhältnisse in Bewegung zu bringen. Vieles deutet darauf hin, dass Europa, dass unser Land dabei an Boden verliert, weil der gemeinsame Kampf des Imperialismus um seine Hegemonie höher gestellt wird, als alles andere.

Das ist keine schöne Perspektive, weil, wenn „unser“ Land, was es ja nicht ist, an Boden verliert, wenn „unsere“ herrschende Klasse sich den Zielen des „Gesamt“-Imperialismus unterordnet, dann will sie uns dafür bezahlen lassen und tut es bereits. Wenig deutet darauf hin, dass die Arbeiterklasse in Deutschland derzeit die Lage umdrehen kann. Hochachtung den Streikenden in Großbritannien, wo man dachte Thatcher hätte alles kaputt gemacht. Respekt allen, die in Frankreich jetzt auf die Straße gehen. Und ja, es wäre gut, wenn die Arbeiterklasse, die Werktätigen in Deutschland Englisch oder Französisch reden würden. Nur, das Leben ist kein „Wünsch dir was“.

Alte Sozialdemokratie und Grüne sind im NATO-Lager beim deutschen Imperialismus. Große Teile der Linkspartei hätten es gerne etwas sozialer und mit nicht ganz so schweren Waffen.

Wir können heute nachfühlen, wie Rosa und Karl sich gefühlt haben müssen, als 1914 die verordnete Kriegsbegeisterung groß war und selbst Teile der Arbeiterklasse skandierten „Jeder Stoß ein Franzos – jeder Schuss ein Russ“. Und trotzdem begann nur weniger Jahre später mit der Oktoberrevolution eine neue Epoche, wurde nur fünf Jahre später die Sowjetunion gegründet.

Wir wissen, dass vor uns dieselbe Aufgabe steht wie damals vor dem Spartakusbund – die Integration der Massen und der Arbeiterklasse in den Kriegskurs der Herrschenden zu beenden. Dieser Aufgabe wird sich der 25. Parteitag der DKP stellen und für diese Aufgabe brauchen wir eine stärkere DKP. Dafür: Heran an die Klasse – heran an die Massen und morgen zu Karl und Rosa.

Wir sagen und fordern:

  • Heizung, Brot, Frieden
  • Löhne rauf – Preise runter!
  • Stoppt den Wirtschaftskrieg – Nord-Stream-Pipelines wiederherstellen und in Betrieb nehmen!
  • Frieden geht nur mit Russland und China!
  • Stoppt Hochrüstung und Waffenlieferungen.
  • Atomwaffen raus aus Deutschland!
  • Deutschland raus der NATO – NATO raus aus Deutschland!
  • Stärkt die DKP!

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