ver.di-Bundeskongress stellte Weichen für kommende Kämpfe

Frieden, Arbeit und Umweltschutz

Von Olaf Harms

In der letzten Woche fand vom 22. bis 28. September der 5. Ordentliche Bundeskongress der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft in Leipzig statt. Neben den 1 000 Delegierten haben rund 500 weitere Teilnehmerinnen als Gäste teilgenommen. Rund 1 200 Anträge standen an zu Diskussion und Beschlussfassung, daneben Reden und Ansprachen, zum Beispiel des Bundespräsidenten oder des Bundesministers für Arbeit und Soziales. Nachfolgend einige Kongresssplitter.

Personalwechsel

Verabschiedet wurde Frank Bsirske als Vorsitzender, der diese Funktion seit der Gründung von ver.di im Jahr 2001 ausübte. Einige sagen, dass er genau der Richtige für ver.di war, weil er zwar als Mitglied der Grünen, aber dennoch als Linker immer wieder das herrschende Gesellschaftssystem nicht nur als Kapitalismus bezeichnet hat, sondern daraus Schlussfolgerungen für die Politik von ver.di in allen Bereichen, also betrieblich, tariflich und politisch, gezogen hat. Er hat in dieser Zeit die Organisation sehr stark auf sich geprägt, was auch zur Folge hatte, dass die Arbeit der ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen hinter denen der hauptamtlichen Beschäftigten zurückstand. Mit großer Mehrheit von über 92 Prozent wurde das SPD-Mitglied Frank Wernicke als neuer Vorsitzender des Bundesvorstandes gewählt. Bemerkenswert ist, dass er an dem inhaltlichen Kurs von ver.di mit großer Integrität und Sachlichkeit festhalten will.

Daneben wurde der Bundesvorstand von vierzehn auf neun Mitglieder verkleinert, fast alle Gewählten konnten Stimmenanteile von 80 bis 96 Prozent auf sich vereinigen. Damit genießt der Bundesvorstand ein hohes Vertrauen. Ebenfalls sollte an dieser Stelle erwähnt werden, dass auch der Gewerkschaftsrat, das höchste Organ von ver.di zwischen den Bundeskongressen, neu gewählt worden ist.

Anträge

Zu den 1150 Anträgen lagen bereits zu Beginn der Antragsdebatte 172 Wortmeldungen, 66 Änderungsanträge sowie sieben Initiativanträge vor. Einige der Themen werden im Folgenden benannt.

Leiharbeit: Der Kongress hat nach intensiver Diskussion mit rund 64 Prozent beschlossen, dass langfristig die Leiharbeit durch Gesetzesänderung abgeschafft wird.

Arbeitszeitverkürzung: Auch hier wurde sehr intensiv darüber diskutiert, ob das Ziel einer 30-Stunden-Woche in den Leitantrag aufgenommen werden sollte. Zwar konnte der Kongress davon nicht überzeugt werden, hat aber beschlossen, dass die Forderung nach einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich breit in ver.di diskutiert werden soll. Die Antragsteller werten das als einen Erfolg. Jetzt gilt es, diese breite Diskussion auch zu führen, und zwar nicht nur ver.di-intern.

Mindestlohn: Mit großer Einmütigkeit wurde die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von mindestens zwölf Euro begrüßt.

Digitalisierung: Schon 2015 hatte ver.di hier grundlegende Positionen eingenommen. Diese wurden nun um das Themenfeld Künstliche Intelligenz (KI) erweitert und ebenfalls einmütig beschlossen. Kernforderung ist, dass KI ethischen, demokratischen und sozialen Standards entsprechen muss. Autonome Waffensysteme müssen verboten werden, sowohl was die Forschung und Entwicklung betrifft, erst recht deren Einsatz.

Gesellschaft: Auch über den Kapitalismus wurde zwar kurz, aber intensiv diskutiert. Und zum Teil Widersprüchliches beschlossen. Einerseits wird festgestellt, dass „Privateigentum und Markt (…) schöpferische Kräfte wirken lassen“. Andererseits: „dort, wo Wettbewerb und Privateigentum ihren Wohlfahrtszweck nicht oder nur mangelhaft erfüllen, müssen sie durch andere Eigentumsformen – öffentliches und genossenschaftliches Eigentum – und Verfahren ersetzt werden.“

Rekommunalisierung: Hier ist bemerkenswert, dass es nicht nur keine weiteren Privatisierungen geben soll, sondern, dass die „Rekommunalisierung bereits privatisierter Dienstleistungen vorangetrieben wird.

Wohnraum: ver.di fordert eine Wohnungsbauoffensive. Benötigt werden 400 000 neue Wohnungen pro Jahr über mehrere Jahre. Davon müssen mindestens 100 000, mittelfristig die Hälfte, auf den sozialen Wohnungsbau entfallen.

ÖPNV: Auch hier ist die Forderung, dass alle Personen ohne Ausnahmen bundesweit kostenfrei mit dem öffentlichen Personennahverkehr befördert werden sollen, bemerkenswert.

Rente: Hier standen zwei Änderungsanträge im Fokus, die beide intensiv diskutiert wurden. Zur Überraschung nicht Weniger hat der Bundeskongress beschlossen, dass das Rentenniveau perspektivisch auf mindestens 53 Prozent festzulegen ist. Darüber hinaus fordert ver.di die abschlagsfreie Rente mit 63.

AfD: Zum Umgang mit Rechtspopulisten in der eigenen Organisation hat der Kongress erfreulicherweise definiert, wann er im Rahmen der satzungsrechtlichen Möglichkeiten Ausschlüsse tätigt: bei Personen, die sich in Wort, Schrift und/oder Tat rassistisch, menschenverachtend oder gewerkschaftsfeindlich äußern oder sich auf diese Weise in Parteien oder anderen Organisationen aktiv engagieren. Aktive Mitgliedschaft umfasst zum Beispiel das Bekleiden von Mandaten, dass Bewerben um ein politisches Mandat sowie jeglicher Wahlkampf im Namen von entsprechenden Parteien oder Organisationen. Aus meiner Sicht hat ver.di damit inhaltlich die Unvereinbarkeit beschlossen.

Berufsverbote: Erfreulich ist hier der Beschluss des Kongresses. ver.di entschuldigt sich bei allen Mitgliedern, die aufgrund des Unvereinbarkeitsbeschlusses in den Jahren nach 1973 aus den ver.di-Quellgewerkschaften ausgeschlossen wurden.

Frieden: Auch hier wurden klare Positionen beschlossen. So setzt sich ver.di dafür ein, dass das 2-Prozent-Ziel der NATO nicht umgesetzt wird. ver.di spricht sich ebenfalls gegen weitere Erhöhungen des Verteidigungshaushaltes aus. Die Kündigung des INF-Vertrages und das Auslaufen des New-START-Vertrages machen deutlich, dass zusätzliche Schritte zur Abwendung der Gefahr eines Atomkriegs notwendig sind. ver.di unterstützt deshalb ausdrücklich die weltweite ICAN-Initiative zur Ächtung und zum Verbot aller Atomwaffen durch die UNO. Auch die Bundesregierung muss das Verbot unterzeichnen und den Abzug der US-Atomwaffen veranlassen.

Satzung: Erneut lagen dem Kongress Satzungsänderungen zur Verlängerung der „Legislatur“-Periode von vier auf fünf Jahren vor. Ebenfalls sollten die Wege der Antragstellung ausschließlich über Bezirke beziehungsweise Landesbezirke kanalisiert werden. Beide Vorhaben erreichten nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit und wurden damit abgelehnt.

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"Frieden, Arbeit und Umweltschutz", UZ vom 4. Oktober 2019



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