Es klingt fast wie ein schlechter Witz: Brandenburg hat bei der Bundestagswahl in zwei Wochen mit Annalena Baerbock und Olaf Scholz die höchste Dichte an Kanzlerkandidaten. Beide sind nicht nur Direktkandidaten im Wahlkreis Potsdam und Umland, sondern führen auch die Landeslisten von Bündnis 90/Grüne beziehungsweise der SPD an. Damit ist eines schon vor der Wahl sicher: Auch die Kanzlerkandidatin beziehungsweise der Kanzlerkandidat im Osten Deutschlands wird aus Westdeutschland kommen.
Geballte DDR-Erfahrung
Auch um in dieser Hinsicht ein Zeichen zu setzen, hat sich die DKP-Landesorganisation Brandenburg bei ihrer Kandidatenaufstellung für die Bundestagswahl einhellig und bewusst dafür entschieden, dass mit der stellvertretenden Landesvorsitzenden der DKP, Gisela Vierrath aus Cottbus, eine Bürgerin der Deutschen Demokratischen Republik die Liste anführt. Und sie ist nicht die Einzige: Von der Krankenschwester aus Königs Wusterhausen über den Staatsanwalt aus Brandenburg an der Havel bis zum DDR-Handelsattaché in Indien aus Fredersdorf bündelt sich auf der Liste der Brandenburger DKP die Erfahrung beim Aufbau des ersten und einzigen deutschen Friedensstaates.
Armutszone Ost
Nun haben 16 Jahre Angela Merkel eindrucksvoll gezeigt, dass eine DDR-Bürgerin an der Spitze der BRD mitnichten ein Garant dafür ist, die Interessen der Bevölkerung im Osten zu berücksichtigen – im Gegenteil. Merkel hat in ihrer Regierungszeit alles darangesetzt, die nach der Zerschlagung der DDR staatlich organisierte „Armutszone Ost“ zu verstetigen. Allein das Lohngefälle Ost-West spricht dabei eine deutliche Sprache, denn auch 2020 verdiente ein ostdeutscher Beschäftigter im Durchschnitt 997 Euro brutto weniger als sein westdeutscher Kollege. Diese Lohnlücke hat sich zwar im Vergleich zu 2019 um 87 Euro verkleinert. Grund dafür sind aber nicht Lohnsteigerungen im Osten, sondern Lohnverluste im Westen im Zuge der Krisenabwälzung im Schatten der Pandemiebekämpfung.
Hieran wird eine Tendenz sichtbar, die unter der Großen Koalition immer weiter vorangetrieben wurde: Nach der Schaffung der „Armutszone Ost“, durch Zerschlagung der DDR-Betriebe und den anschließenden rot-grünen Sozialraubzug unter dem Schlagwort „Agenda 2010“, erfolgte der Generalangriff auf die arbeitenden Menschen in Deutschland. Zum wirtschaftlich ruinierten Osten gesellten sich abgehängte westdeutsche Regionen wie das Ruhrgebiet, Teile von Rheinland-Pfalz oder des Saarlands. Auch einige wirtschaftliche „Leuchttürme“ im Osten wie der Berliner Speckgürtel in Brandenburg können nicht darüber hinwegtäuschen, dass private Haushalte Brandenburger Kommunen wie in der Uckermark, Frankfurt/Oder oder Brandenburg an der Havel mit etwa 17.500 Euro Einkommen pro Jahr etwa 12.000 Euro weniger in der Haushaltskasse haben als Haushalte in München oder im Hochtaunuskreis. Es bleibt auch 2021 dabei: Armut bleibt ostdeutsch.
Systematische Demütigung
Es wäre zu kurz gesprungen, die Benachteiligung der Menschen im Osten auf den unterschiedlichen Kontostand zu reduzieren. Es geht um das Verbauen von Lebensperspektiven, die Verweigerung eines Lebens in Würde und ausbleibendem Respekt gegenüber der Lebensleistung der Menschen im Osten. Das ist es, was auch die Mehrheit der Brandenburger zur Weißglut treibt, wenn sie sich mitunter auch aus linksliberaler Ecke Belehrungen in Sachen „Toleranz“ und „Vielfalt“ anhören müssen. So warten über 100.000 in der DDR geschiedene Frauen, deren Rentenansprüche nicht anerkannt werden, bis heute zumindest auf die Einrichtung eines Härtefallfonds, den die SPD im Bundestagswahlkampf 2017 versprochen hatte. Davon war auch noch im Koalitionsvertrag mit CDU/CSU die Rede. Dabei rausgekommen ist ein sogenanntes Eckwertepapier, in dem allen Ernstes festgehalten wird, dass die Frauen nur einen Antrag stellen dürfen, wenn ihre Rente „in der Nähe der Grundsicherung“ liege. Es geht also nicht um Rentensprüche, sondern um Almosen – um dreißig Jahre systematische Demütigung.
Abrissprojekt Lausitz
Während Brandenburger Kommunen im Berliner Umland von den höheren Einkommen der Zugezogenen profitieren – zum Preis explodierender Mieten –, werden andere Regionen immer weiter in die Knie gezwungen wie zum Beispiel die Lausitz. Hier kann am konkreten Beispiel beobachtet werden, was der „Green Deal“ von Bundesregierung und EU und das Hauptthema der Grünen im Wahlkampf für die Bevölkerung bedeuten. So gehören Cottbus und die Lausitz nach der Zerschlagung der DDR-Betriebe bereits zu den Regionen im Osten, die besonders stark von einer staatlich organisierten Deindustrialisierung betroffen waren. Die Stilllegung der Braunkohlewerke wird nun einen zweiten Schub der Deindustrialisierung nach sich ziehen – und daran werden auch alle Strukturförderungsprogramme nichts ändern, wie das Beispiel des Ruhrgebiets zeigt. Nur allzu verständlich ist deshalb, dass laut „Lausitz Monitor 2021“ fast jeder Zweite der 18- bis 29-Jährigen plant, die Region innerhalb der nächsten zwei Jahre zu verlassen. Es stellt sich die Frage: Welchen Zynismus muss eine Grüne-Kanzlerkandidatin Baerbock eigentlich aufbringen, um in dieser Situation ‚Lastenräder für alle!‘ zu fordern?
Friedenspartei DKP
Wenn es um das Thema Frieden geht, gibt es keine verlässlichere Kraft in diesem Land als die Bürgerinnen und Bürger im Osten der Republik. Grundsätzlich sprechen sich hier die Menschen über dem bundesdeutschen Durchschnitt für einen Abzug der Bundeswehr aus dem Ausland und insbesondere ein freundschaftliches Verhältnis zu Russland aus. Das äußert sich nicht zuletzt in einem klaren Bekenntnis zum Bau der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2, die auch durch Brandenburg verläuft. Zuletzt konnten die Brandenburger am 25. August eindrucksvoll erleben, wie alle Bundestagsabgeordneten aus Brandenburg – von der AfD über die Regierungsparteien bis hin zu Grünen, FDP und „Die Linke“ – diesen Wählerwillen schlicht und einfach ignorierten, als sie nicht gegen den völkerrechtswidrigen Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan stimmten. Allen im Bundestag vertretenen Parteien dafür in Brandenburg einen Denkzettel zu erteilen, kann deshalb nur heißen: DKP wählen.