Freundschafts-Bande

Kolumne von Uli Brockmeyer

Freunde kann man sich aussuchen. Das gilt im kleinen privaten Bereich wie auch in der großen Politik. Dort haben sich in den vergangenen Tagen wieder einmal Leute zusammengefunden, deren Freundschaft eine etwas genauere Betrachtung wert ist.

So reiste der luxemburgische Premierminister – auch in seiner Eigenschaft als Ratsvorsitzender der Europäischen Union – nur wenige Tage vor den dortigen Kommunalwahlen in die Ukraine. Warum das unbedingt zu diesem Zeitpunkt sein musste, bleibt wohl sein Geheimnis und das der politischen Entscheider in der EU. In jedem Fall war dieser Besuch eine weitere Wahlkampfhilfe für den angeschlagenen ukrainischen Präsidenten Poroschenko, denn bei den Wahlen am Sonntag könnte laut Umfragen eine beinahe vergessene Konkurrentin wieder aus der zeitweiligen Versenkung auftauchen: die vorbestrafte Oligarchin und Milliardärin Julia Timoschenko. Das gewiss nicht wegen eigener politischer oder sonstiger Verdienste, sondern vor allem weil Leute wie Poroschenko und der Ministerpräsident von Washingtons Gnaden Jazenjuk mit ihrer desaströsen Militär- und Wirtschaftspolitik von einem Tiefpunkt in den anderen taumeln.

Um ein Fiasko dieser miesen Figuren noch im letzten Moment abwenden zu helfen, hat am Freitag auch BRD-Kanzlerin Merkel Herrn Jazenjuk noch mit allen Ehren in ihrem Berliner Kanzleramt empfangen und weitere Unterstützung in Aussicht gestellt. Was tut man nicht alles für seine Freunde …

Das gilt auch für politische Hasardeure wie den türkischen Präsidenten Erdogan und den israelischen Regierungschef Netanjahu – zwei Politiker, die dabei sind, ihre jeweiligen Regionen in neue Konflikte zu manö­vrieren, und die sich der besonderen Freundschaft der EU und der USA erfreuen.

Herr Netanjahu hatte sich am Dienstag dieser Woche als Geschichtsprofessor für die ganze Welt versucht und einige Verblüffung ausgelöst mit seiner Behauptung, der damalige Großmufti von Palästina habe 1941 den deutschen Faschistenchef erst auf die Idee des Massenmordes an den Juden gebracht. Nun ist zwar jedem Absolventen einer Schule mit halbwegs seriösem Geschichtsunterricht bekannt, dass Hitler keineswegs eine Anregung aus dem Nahen Osten brauchte, denn immerhin hatte er seinen Hass auf die Juden schon viele Jahre vorher schriftlich erläutert und seine Gefolgschaft darauf eingeschworen. Die massiven Angriffe auf die deutschen Juden begannen schließlich schon vor der Machtübergabe an ihn und seine faschistische Partei, und sie erreichten 1933, gleich nach der massenhaften Verfolgung und Inhaftierung der Kommunisten, Sozialdemokraten und anderen Antifaschisten, ihren ersten Höhepunkt.

Das Verwerfliche an dieser Geschichtslüge Netanjahus besteht in erster Linie darin, dass er damit neuen Hass sät und die Verfolgung und Tötung von Palästinensern anheizt. Mindestens genauso verwerflich ist es, wenn dieser Mann zwei Tage nach der Rede als Staatsgast in Berlin empfangen wird und die christlich-demokratische Kanzlerin oder ihr sozial-demokratischer Außenminister sich nicht dazu äußern, geschweige denn der Hetzrede widersprechen.

So auch bei Herrn Erdogan, der auf dem Höhepunkt des Wahlkampfes um die Parlamentssitze öffentlich behauptet, Kurden, IS-Gotteskrieger und der syrische Geheimdienst hätten gemeinsam das Attentat vom 10. Oktober mit über 100 Toten geplant und ausgeführt. Auch diesem Hetzer hatte Frau Merkel erst wenige Tage zuvor einen Wahlkampfhilfe-Besuch in Istanbul abgestattet.

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"Freundschafts-Bande", UZ vom 30. Oktober 2015



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