Über das neue Verfassungsschutz-Gesetz

Freudige Schnüffler

Während am 15. Juli vormittags das Bundeskabinett zur Endabstimmung des Entwurfs eines „Gesetzes zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts“ im Kanzleramt zusammentrat, machte sich 500 Kilometer südlich, in der Zamdorfer Straße 88 im Münchener Osten, Feierlaune breit. Hier befindet sich der Sitz der „Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich“ (ZITiS). Im Erlass zu ihrer Gründung verfügte das Bundesinnenministerium: „Die Zentrale Stelle hat die Aufgabe, Behörden des Bundes mit Sicherheitsaufgaben im Hinblick auf informationstechnische Fähigkeiten zu unterstützen und zu beraten. Dazu entwickelt und erforscht die Zentrale Stelle Methoden und Werkzeuge.“ Wie solche Projekte erfolgreich zu stemmen sind, weiß deren Chef nur zu gut: Wilfried Karl leitete bis zu seinem Wechsel zur ZITiS die Abteilung „Technische Aufklärung“ des Bundesnachrichtendienstes (BND). Seine Amtsübernahme kommentierte die damalige Obfrau des NSA-Untersuchungsausschusses, Martina Renner (Partei „Die Linke“), mit den Worten: „Dass er die Hacking-Behörde leiten soll, zeigt, dass der Bundesinnenminister die privaten Daten der Bürgerinnen und Bürger zum Abschuss freigibt. Als leitender Beamter der Technischen Aufklärung hat Karl seine Qualifikation für die geheimdienstlichen Rechtsverstöße bereits hinreichend unter Beweis gestellt: Beim BND war er maßgeblich an der Kooperation mit NSA und CIA und dem Hintergehen von Parlament und Providern beteiligt.“

Nachdem die Strafverfolgungsbehörden bereits seit August 2017 mit Staatstrojanern, Online-Durchsuchung und Wohnraumüberwachung ausnahmslos alle Daten in Echtzeit von Computern, Tablets und Smartphones einsammeln können, im präventiven Bereich die Länderpolizeigesetze nachgezogen haben, werden nach dem Willen der Großkoalitionäre nun auch Verfassungsschutz (VS) – samt seiner 16 Länderdienste –, Militärischer Abschirmdienst (MAD) und Bundesnachrichtendienst (BND) persönliche Daten durch heimlich installierte ZITiS-Software abgreifen, verwerten und untereinander austauschen können. Damit die Spionagesoftware unauffällig auf Handys und PCs gelangen kann, verpflichtet der Bund Provider und Netzbetreiber, ihm bei der Installation technische Hilfe zu leisten. VS-Präsident Thomas Haldenwang forderte Anfang Februar auf dem 23. Europäischen Polizeikongress von den Diensten den „Mut, sich immer wieder diesen Anpassungsleistungen auszusetzen, damit das Schwert in der Hand der Justitia scharf bleibt!“. Mutig, wie Haldenwang ist, schreckt er vor nichts zurück: Am 9. Juli meldete der Sender „NTV“, dass Haldenwang „erwäge“, die Landesverfassungsrichterin Barbara Borchardt (Partei „Die Linke“) in Mecklenburg-Vorpommern, deren Wahl zur Richterin ein „unerträglicher Vorgang“ sei, „überwachen zu lassen“.

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"Freudige Schnüffler", UZ vom 17. Juli 2020



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