„So wie die Grünen immer schon etwas wollten, seid Ihr immer schon etwas gewesen“, mit diesen schmalzigen Worten begann das Glückwunschschreiben von Robert Harbeck und Annalena Baerbock zum 75. Geburtstag der CDU in der „Frankfurter Allgemeinen“. Es folgte ein Liebesbrief voller Kitsch und Pathos. Die grüne Parteispitze schrieb von heimlicher Bewunderung für die Konservativen, bezeichnete die CDU als „das Bayern München der Politik“. Den Höhepunkt erreichte diese Aneinanderreihung von Fremdschammomenten in einem Lobgesang auf die Europäische Union, das transatlantische Bündnis und „die fortschreitende Liberalisierung unserer demokratischen Gesellschaften“. Dafür, so die Gratulanten, war kein „Automatismus der Geschichte“ verantwortlich, „sondern unter anderem der klare Kompass der CDU“.
Die CDU macht also die Geschichte und die Grünen wollen dabeisein. In den Kommunen Nordrhein-Westfalens könnte diese Sehnsucht schon bald großflächig gestillt werden. Die Grünen gehören mit einem Ergebnis von landesweit 20 Prozent zu den großen Gewinnern der Kommunalwahl. Die schwarz-grüne Machtoption scheint allgegenwärtig. Die Vorbereitungen dafür liefen bereits seit Monaten und zogen im Rahmen der Stichwahlen noch einmal deutlich an. In manchen Gemeinden unterstützte die grüne Partei offen Kandidaturen der CDU (zum Beispiel erfolglos in Dortmund). Andernorts verzichtete sie demonstrativ auf eine Empfehlung im Stichwahlgang.
Besonders auffällig war dieses Vorgehen in Düsseldorf. In zentralen Fragen wie der Klima- und Verkehrspolitik lagen der bisherige Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) und die Düsseldorfer Grünen eigentlich auf einer Linie. Dennoch entschied sich die grüne Basis gegen eine Wahlempfehlung und verhalf somit dem CDU-Kandidaten Stephan Keller zum Sieg. Direkt nach der Wahl begannen die schwarz-grünen Sondierungen. Geisel verdient kein Lob von links. Doch die Bereitschaft der Grünen, das eigene Programm schon vor den ersten Koalitionsgesprächen zurückzustellen, ist bemerkenswert.
Düsseldorf ist kein Einzelfall. In Neuss lehnte die schwarz-grüne Koalition den Beschluss über ein ambitioniertes Klimaschutzkonzept ab. FDP und AfD klatschten Beifall. Die Grünen, die zuvor schon die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen verhindert hatten, stimmten kurz vor der Wahl gegen ihr eigenes Kernthema. Doch das Kalkül ging nicht auf. Die Stimmengewinne blieben unter den Erwartungen; Schwarz-Grün hat keine eigene Mehrheit.
Ihr insgesamt gutes Ergebnis verdanken die Grünen in NRW einer jungen und klimabewegten Wählerschaft. Bei den Unter-25-Jährigen wählten 33 Prozent Grün. Mit der CDU werden die Grünen keine wirksame Klimapolitik betreiben; sofern sie es überhaupt versuchen. Das zeigen die Erfahrungen mit den bestehenden Koalitionen auf Kommunal- und Landesebene. Wenn man dem Kommunalwahlergebnis etwas Positives abgewinnen möchte (von erfreulichen, aber leider vereinzelten Achtungserfolgen fortschrittlicher Kräfte einmal abgesehen), dann, dass die Ratswahlen politischer werden. Die Grünen wurden nicht gewählt, weil sie viele Schützenkönige oder Stadtteilkümmerer stellen, sondern weil ihre Anhänger an ein politisches Versprechen glauben. Und dieser Glaube beginnt zu bröckeln. Erste Risse zwischen der grünen Partei und der Klimaschutzbewegung lassen sich bereits beobachten; zum Beispiel bei den Auseinandersetzungen um den Dannenröder Wald.
Was tun? Einfach abwarten, bis der Wahlhype vorbei ist? Nein! Die Klimakrise spitzt sich weiter zu und aus enttäuschten Klimaschützern werden nicht automatisch Sozialisten. Linke Kommunalpolitik muss in den nächsten Jahren leisten, was die Grünen nicht können oder wollen. Sie muss für konkreten und wirksamen Klimaschutz eintreten und diesen mit sozialem Fortschritt verbinden.