Britische Justiz genehmigt Auslieferung von Julian Assange an die USA

Freiheitsrechte aller verteidigen!

Die britische Justiz hat wie erwartet formell den Weg frei gemacht für die Auslieferung des Journalisten und Wikileaks-Gründers Julian Assange an die USA. Nach der Entscheidung des Westminster Magistrates’ Court am 20. April obliegt es nun der britischen Innenministerin Priti Patel, die Auslieferung zu exekutieren. International wächst die Kritik an der Verfolgung des Journalisten, der seit über elf Jahren seiner Freiheit beraubt ist. Seit April 2019 ist Assange im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert, zeitweise unter härtesten Isolationshaftbedingungen.

Mehrere Presserechtsorganisationen haben mittlerweile die britische Regierung aufgefordert, Assange nicht an die USA zu überstellen, wo ihm – unter dem Vorwand der Spionage – wegen der Enthüllung von US-Kriegsverbrechen bis zu 175 Jahre Gefängnis drohen. Die 19 Organisationen, darunter Reporter ohne Grenzen (RSF) und mehrere nationale PEN-Gliederungen, rufen Ministerin Patel dazu auf, „im Interesse der Pressefreiheit und des Journalismus zu handeln, indem Sie die Auslieferung verweigern und Herrn Assange unverzüglich aus dem Gefängnis entlassen, wo er trotz der großen Risiken für seine geistige und körperliche Gesundheit seit drei Jahren in Untersuchungshaft sitzt“. Sie erinnern daran, dass sich der Journalist in den USA vor Gericht nicht „angemessen verteidigen“ könne, da das Argument des öffentlichen Interesses in einem Spionageprozess keine Gültigkeit habe. „Seine strafrechtliche Verfolgung würde einen gefährlichen Präzedenzfall“ für andere Medien und Journalisten schaffen, heißt es in ihrem offenen Brief an Ministerin Patel weiter. Zudem sei es sehr wahrscheinlich, dass Assange in den USA – trotz gegenteiliger Zusicherungen der US-Regierung – unter den Bedingungen der Isolation oder Einzelhaft eingesperrt würde, „was sein Selbstmordrisiko erheblich verschärfen würde“.

Auch das deutsche PEN-Zentrum macht sich für die sofortige und bedingungslose Freilassung seines Ehrenmitglieds Assange stark. „Julian Assange hat keine Verbrechen begangen, er hat dazu beigetragen, welche aufzudecken – und dafür bis heute mit elf Jahren Unfreiheit bezahlt“, so PEN-Präsident Deniz Yücel. Eine Auslieferung des Wikileaks-Gründers an die USA wäre ein schwerer Schlag gegen die Pressefreiheit – mit weitreichenden Folgen für investigativen Journalismus in aller Welt. Im Fall einer Auslieferung sei damit zu rechnen, heißt es in der PEN-Erklärung weiter, „dass Assange noch weniger ein faires Verfahren und menschenwürdige Haftbedingungen zuteil kommen werden als in Britannien. Stattdessen spricht alles dafür, dass das Urteil in diesem politisch motivierten Verfahren bereits feststeht: lebenslange Haft.“

Zuletzt hatte das deutsche PEN-Zentrum im Januar dieses Jahres Annalena Baerbock öffentlich daran erinnert, dass sie sich als Oppositionspolitikerin für Assanges Freilassung ausgesprochen hatte, und sie dazu aufgefordert, als Außenministerin dieses Engagement fortzusetzen. Dies gilt auch für vier weitere Minister der Ampelregierung: den heutigen Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck, Gesundheitsminister Karl Lauterbach, Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und Kulturstaatsministerin Claudia Roth.

Die richtige Forderung an die Ampelregierung, sich bei den westlichen Verbündeten für Assange einzusetzen und ihm politisches Asyl in Deutschland zu gewähren, verbindet das deutsche PEN-Zentrum allerdings mit dem kruden Appell: „Lassen Sie es nicht zu, dass Julian Assange weiterhin von der russischen Propaganda instrumentalisiert wird!“

Tatsächlich protestiert die russische Regierung – im Gegensatz zur deutschen und denen aller anderen NATO-Staaten – seit Jahren gegen die politische Verfolgung von Assange durch die USA. Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, zeigt sich nach der jüngsten Entscheidung vom 20. April in dem Fall jedoch wenig optimistisch: „Die Verteidigung des Journalisten, der von der ganzen Macht der angelsächsischen Repressionsmaschinerie schikaniert wurde, will versuchen, die Ministerin umzustimmen, aber wie die traurige Erfahrung zeigt, besteht kein Zweifel daran, dass das von Washington vorgegebene Szenario ohne Rückzieher durchgespielt wird.“ Der „kollektive Westen“ könne die Geschichte umschreiben, so viel er wolle, aber die von Assange aufgedeckten Fakten über Kriegsverbrechen im Irak, Folter in Guantanamo und andere Vergehen „bleiben bestehen und werden der Nachwelt erhalten bleiben“. Sacharowa laut der vom Blogger und Publizisten Thomas Röper („Anti-Spiegel“) angefertigten Übersetzung weiter: „Sie können vorgeben, für Menschenrechte und Meinungsfreiheit zu kämpfen, so viel sie wollen, aber dieses Verbrechen wird ein Schandfleck auf dem ‚Körper‘ der westlichen Demokratie sein.“

Das für Assange tätige Verteidigungsteam hat bis zum 18. Mai Zeit, Einspruchsgründe gegen die von der US-Regierung betriebene Überstellung vorzubringen. Die Anwälte haben zudem bereits angekündigt, Einspruch gegen Patels Entscheidung im Falle einer Zustimmung zu erheben. Die Topjuristin Jennifer Robinson sagte dazu in der „Berliner Zeitung“ vom 24. April: „Wir müssen diesen Prozess gewinnen. Es geht längst nicht mehr um Assange. Es geht um viel mehr: Es geht um die Freiheitsrechte von uns allen. Es geht darum, ob wir in Zukunft in einer Gesellschaft leben werden, in der zivile Freiheiten existieren. Um nicht weniger geht es.“

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"Freiheitsrechte aller verteidigen!", UZ vom 29. April 2022



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