Companions“, das unaufgeregt erzählte Romandebüt von Katie M. Flynn, handelt vom Trost, den Menschen in Maschinen finden. Nicht in irgendwelchen, sondern in bewusst handelnden Maschinen, deren Erscheinung dem des Menschen nachempfunden ist. Jedoch sind sie keine Maschinen im eigentlichen Sinne, keine Roboter, keine künstlichen Intelligenzen wie die, an denen jetzt alle forschen und von denen Alan Turing sagte, es werde den Moment geben, in dem Maschinen denken können und nicht mehr von Menschen unterscheidbar sein würden. In Katie Flynns Welt, die unserer erschreckend ähnlich ist, stecken in den künstlichen Körpern keine künstlichen Intelligenzen, sondern das Bewusstsein gestorbener Personen, von Menschen also mit eigener Persönlichkeit, eigenen Erinnerungen, eigenen Träumen und Wünschen. Sobald ihr Bewusstsein nach ihrem Tod jedoch „hochgeladen“ wurde, gehören sie einer Firma, die sie vermietet. Eigene Persönlichkeit ist hier nicht mehr erwünscht, wer bei den neuen Herren nicht ankommt, wird zerstört, wer aufmuckt auch, Backups sind nicht vorgesehen. Ausbeutung über den Tod hinaus, für die die Companions, als sie noch Lebende waren, auch noch kräftig bezahlt haben: Eine Existenz nach dem Tod muss man sich schon leisten können, egal, wie sie aussieht.
Und so „leben“ die Companions bei Katie Flynn in Familien, in Bordellen, werden von Seniorenheim zu Seniorenheim transportiert, um die Alten aufzumuntern, oder ersetzen auch mal einen Schauspieler, der Lust auf anspruchsvolle Filme hat, wenn doch seine Produktionsfirma mit Quatsch Geld machen will.
Was „Companions“ zu einem besonderen Buch macht? Das Setting, in dem Flynn Menschen und Companions agieren lässt. Das Buch spielt in Kalifornien, der ganze Staat steht unter Quarantäne wegen eines Virus’, das sich über die Luft verbreitet und vor allem die Lunge befällt. Die Menschen sterben wie Fliegen. Gähn, möchte man sagen, hat sie halt die Nachrichten abgeschrieben, um ihrer Geschichte einen Hintergrund zu geben, der an das Hier und Jetzt erinnert. Hat sie aber nicht. Der Roman, der nun auf Deutsch bei Heyne erschienen ist, ist am 3. März 2020 erstveröffentlicht worden. Als Flynn schrieb, war von Corona noch keine Rede und die Spanische Grippe nur eine ferne Erinnerung. Und doch beschreibt Flynn Facetten der Corona-Pandemie so treffend, dass man sie am liebsten auch nach den Lottozahlen der kommenden Woche fragen möchte:
Menschen treffen sich fast ausschließlich auf Monitoren,Schule findet komplett Online statt und Teenager verlieren die Lust, daran jemals etwas zu ändern. Warum sie denn keinen Freipass wolle, wird Dahlia zum Beispiel von ihrem Companion Lilac gefragt: „Wenn man rausgeht, muss man alle Schutzimpfungen auffrischen lassen, und wenn man reinkommt, muss man alles ausziehen, wird abgespritzt und muss drei Tage in einem Isolierzelt sitzen. Wozu das alles? Nur um in einem richtigen Laden einzukaufen?“ Virtuell ist doch alles viel einfacher.
Die Pandemie und die Ursache für das Virus werden im Roman nur nebenher behandelt, sie dienen als Erklärung für einige Verhaltensweisen der Menschen, bei weitem aber nicht alle. „Den Vorschriften folgend legte ich die Maske an … Diese Interaktion war so unbefriedigend – maskiert, immer mit Sicherheitsabstand, ohne Berührungen.“ Flynn schien schon im Jahr 2019 zu wissen, wie sich das anfühlt, wenn selbst kleine Menschenmengen zu einer Bedrohung werden, Zugfahren ein Risiko wird, man seine Freunde nicht mehr umarmen darf und nur hilflos winkt, wenn die Nachbarn mit dem frischgeborenem Baby nach Hause kommen. Von einem Treppenabsatz drüber natürlich. Abstand muss sein.
Katie M. Flynn
Companions
Heyne Verlag, 12,99 Euro