Die Bundesregierung hat im vergangenen Monat ihr Vetorecht bei Firmenübernahmen ausgeweitet. Sie kann damit den Verkauf deutscher Unternehmen einfach untersagen, wenn dadurch wichtiges Know-how ins Ausland geht. Erstaunlicherweise war der Schritt durch eine simple Verordnung des Bundeswirtschaftsministeriums möglich, die vom Bundeskabinett Mitte Juli abgesegnet wurde. Erinnert sich jemand vielleicht an die Leidenschaft, mit der Frau Merkel auf dem G7-Treffen in Taormina gegen Donald Trump die Freiheit des Handels und des Kapitalverkehrs verteidigt hat? Immerhin auch ist Deutschland Mitgliedsland in der EU, die sich den Prinzipien des Freihandels und des freien Kapitalverkehrs verschrieben hat und immer wieder gegen Mitgliedsländer vorgeht, die diese Prinzipien einschränken.
Natürlich ist es etwas anderes, wenn sich diese Einschränkungen gegen feindliche Mächte richten, Russen oder Chinesen etwa. Letztere sind der Anlass für die Abschottungspolitik der Berliner Regierung. Im vergangenen Jahr hat ein chinesisches Unternehmen den Augsburger Roboterhersteller Kuka unter großer öffentlicher Teilnahme erworben. Ende vergangenen Jahres wäre beinahe der Chipanlagenbauer Aixtron an die Chinesen verkauft worden, wenn nicht in buchstäblich letzter Sekunde der damals noch amtierende US-Präsident Barack Obama interveniert hätte. Er hat offensichtlich ein Vetorecht, das auch in Deutschland wirkt. Jedenfalls ist Aixtron heute noch deutsch.
Nicht alle Kapitalisten sind froh über die neue Abschottungspolitik. Wer sein Unternehmen oder auch nur Aktienpakete daran verkaufen möchte, plädiert für offene Grenzen. Für sie spricht Ralf Mittelstädt, Hauptgeschäftsführer der Industrie und Handelskammer NRW, wenn er „mehr Mitspracherecht für die verkaufenden Eigentümer“ fordert. (Zitate nach „Rheinische Post“ vom 14.8.) Denn wenn eine Käufergruppe, eine potente wie die Chinesen zumal, vom Kauf ausgeschlossen wird, senkt das den Preis. Offene Grenzen für Investoren aus aller Welt beleben das Geschäft und die Aktienkurse. Deutschland sei mit großen Investitionen ausländischer Konzerne gut gefahren, sagt ein kluger Ökonom vom Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung. Anders aber sei das, wenn Staaten wie China mit ihren Investitionen geostrategische Interessen verfolgten. Dann bestehe, wie er – und offensichtlich auch Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries – meinen, die Gefahr, dass die Interessen der neuen Eigentümer jenen des Standorts zuwiderlaufen“. Warum das so ist, erklärt uns der Experte nicht. Vermutlich deshalb stellt der BDI, der als „Bundesverband der Deutschen Industrie“ für alle Industriekapitalisten spricht, schön abgewogen fest, das Gefahrenpotenzial feindlicher Übernahmen durch ausländische Unternehmen müsse gegenüber den hohen Gütern Eigentumsschutz und Vertragsfreiheit abgewogen werden. Man kann es nicht besser sagen.