Was die Automobilausstellung und die Politik gegen Ungeimpfte gemeinsam haben

Freiheit kostet

Am vergangenen Wochenende konnte die traditionelle Feuerbacher Kirbe in Stuttgart wieder stattfinden. In anderen Regionen kennt man solche Veranstaltungen unter dem Namen Jahrmarkt oder Kirmes. Für die Kinder ist das natürlich ein Grund für einen Sonntagsausflug. Dieses Jahr war der Festplatz, auf den ungefähr ein Bierzelt, fünf Fahrgeschäfte und ein paar andere Buden passen, abgesperrt. Nur mit einem der drei „G“s und einer Anmeldung, wahlweise auf Papier, lieber aber per privater App, kamen die Menschen auf den Platz. Noch können sich Menschen, die sich aus welchen Gründen auch immer nicht impfen lassen wollen, wenige Meter entfernt kostenlos testen lassen. In wenigen Wochen soll das vorbei sein. Ab Mitte Oktober werden die Tests Geld kosten. Den Preis soll der Markt regeln. Für viele heißt es dann: Corona-Test oder Fahrkarte.

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Björn Blach

Jugendliche ab zwölf Jahren und ihre Eltern verschont man offiziell noch bis Jahresende mit dem Druck kostenpflichtiger Tests für die Teilnahme am Unterricht. Doch schon jetzt wird der Druck durch Politik und Medien täglich erhöht. Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg sind per Verordnung angewiesen, auf Impfmöglichkeiten hinzuweisen. Eine freie Entscheidung über eine Impfung gegen eine Krankheit, die für Kinder ein sehr geringes Risiko darstellt, wird den Eltern und jungen Menschen nicht gelassen. Die Fragen sind: Können wir uns die Tests leisten und können die Kinder den sozialen Druck aushalten?

Auch an anderer Stelle wird der Druck auf Ungeimpfte erhöht. Einige Bundesländer haben die Erstattung des Verdienstausfalls bei behördlich angeordneter Quarantäne gestrichen. Da muss also schon genau gerechnet werden, ob sich die Familie leisten kann, auf die Hälfte ihres Einkommens zu verzichten.

Die Pandemie wird mit dieser Maßnahme sicher nicht bekämpft. Menschen werden sich weniger testen lassen. Erkrankte solidarische Kolleginnen und Kollegen werden noch weniger verlässlich ihre Kontaktpersonen angeben. Wer ist schon gern Kollegenschwein und sorgt dafür, dass Bekannte 14 Tage kein Geld bekommen? Wofür Politik und Kapital ihre Corona-Politik nutzen, ist der weitere reaktionäre Staatsumbau und die Herstellung der geschlossenen Heimatfront. Die Ungeimpften werden zu Sündenböcken, die sich auf Kosten der Gemeinschaft nicht impfen lassen würden und dann auch noch alles vom Steuerzahler bezahlt haben wollen. Das öffnet die Schotten für die Vernichtung eines solidarischen Gesundheitssystems. Damit sind dann demnächst Raucher und Dicke selbst schuld, wenn sie erkranken, und liegen den Gesunden auf der Tasche. Und es lenkt von denjenigen ab, die trotz Pandemie Krankenhäuser schließen.

Die andere Landeshauptstadt im südlichen Teil Deutschlands beschäftigte am Wochenende vor allem das Thema Auto. 400.000 Menschen besuchten die IAA Mobility. Bei zahlreichen Aktionen und Demonstrationen zeigte die bayrische Polizei, dass Kritik am Monopolkapital unerwünscht ist. Schuld an der Platzwunde durch den Polizeiknüppel ist mindestens in Bayern auf jeden Fall der Demonstrant. Vielleicht liegen in irgendwelchen Schubladen schon die Pläne, dass derartige Querulanten ihre Blessuren nicht auf Kosten der Allgemeinheit kurieren können.

Ein weiterer Punkt fällt auf: Auch Autofahrer sollen sich für den Klimaschutz entscheiden. Am Besten leisten sie sich ein neues E-Fahrzeug, denn der Strom kommt bekanntlich klimaneutral aus der Steckdose. Oder sie leisten sich den Sprit inklusive CO2-Steuer. Markus wollte 1982 Spaß und sang deshalb „kost’ Benzin auch drei Mark zehn. Scheißegal, es wird schon geh’n! Ich will fahr’n!“ Entscheiden kann, wer das nötige Kleingeld in der Tasche hat. Die anderen müssen zahlen und werden dann für ihr klimaschädliches Verhalten gemaßregelt.

Die Freiheit der Reichen hat die Armut der Vielen zur Voraussetzung.

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"Freiheit kostet", UZ vom 17. September 2021



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