WikiLeaks-Gründer darf nach Australien ausreisen, muss sich aber schuldig bekennen

Freiheit für Julian Assange

Julian Assange ist frei. Nach sieben Jahren in der ecuadorianischen Botschaft in London und fünf Jahren Haft im englischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh hat er nach Angaben seiner Ehefrau Stella Assange Britannien vom Flughafen Stansted aus verlassen. Am Mittwoch (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe von UZ) sollte er sich – so der Deal mit den USA – vor einem Gericht auf den Nördlichen Marianen (einem nichtinkorporierten Außengebiet der USA im Pazifik) schuldig bekennen. Danach könne er – so der Stand des Deals am Dienstag – in seine Heimat Australien reisen.

Nach mehr als zehn Jahren der Strafverfolgung durch die USA gegen den Wikileaks-Gründer, dem bei einer Verurteilung 175 Jahre Gefängnis gedroht hätten, wollen die USA nun zumindest auf dem Papier ein Schuldeingeständnis. Und sie werden es bekommen. Mehrmals hatte das Anwaltsteam von Assange dessen schlechten Gesundheitszustand geltend gemacht. Die Jahre in der drei mal zwei Meter großen Zelle haben ihren Tribut gefordert. Von leichten Schlaganfällen wurde dem Gericht berichtet, von der unzureichenden medizinischen Versorgung im Gefängnis, aber auch von Suizidabsichten. Ein Schuldeingeständnis ist wenig gegen das Leben und die Freiheit.

Wegen Spionage in mehreren Fällen haben die USA ihn angeklagt, dafür hat er fünf Jahre ohne Prozess in Belmarsh gesessen. Assange hatte 2010 auf der Enthüllungsplattform WikiLeaks unter dem Titel „Collateral Murder“ ein Video veröffentlicht, das ihm die Whistleblowerin Chelsea Manning zugespielt hatte. Darauf zu sehen war der Mord an acht Zivilisten in Bagdad im Jahr 2007, unter ihnen ein Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters. Sie waren von einem US-amerikanischen Apache-Kampfhubschrauber gezielt unter Feuer genommen worden. Ein zweiter Angriff des gleichen Hubschraubers galt unmittelbar darauf zwei Zivilisten, die dem beim ersten Angriff verletzten Reuters-Journalisten helfen wollten: alle drei starben im Kugelhagel. Zwei Kinder überlebten schwer verletzt. Es folgten viele weitere Berichte (und Beweise) über Kriegsverbrechen der USA, unter anderem in Afghanistan, und zuvor geheime Unterlagen und Fotos über die Zustände im Foltergefängnis Guantánamo, das die USA im illegal von ihnen besetzten Teil Kubas unterhalten. Der Mann, der diese Verbrechen aufdeckte, soll sich schuldig bekennen. Die Besatzung des Apache-Hubschraubers und ihre Kommandeure wurden nicht strafrechtlich verfolgt.

Wähend der Ex-Vizepräsident Mike Pence sich auf der Plattform X darüber echauffierte, der Deal mit Assange sei ein „Justizirrtum“, der „Einsatz und die Opfer der Männer und Frauen unserer Streitkräfte entehrt“, gab es von anderen Bekundungen der Freude. Von einem „Sieg für die Pressefreiheit“ schreibt etwa die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock betonte, sie sei „sehr froh, dass dieser Fall, der überall auf der Welt sehr emotional diskutiert wurde und viele Menschen bewegt hat, nun endlich eine Lösung gefunden hat“.

Nur zur Erinnerung, keines der Länder des sogenannten Werte-Westens hat dem Journalisten Julian Assange Asyl angeboten, als er für seine Arbeit – die Aufdeckung von Kriegsverbrechen – von den USA verfolgt worden ist. Auch Deutschland nicht. Pressefreiheit ist eher ein Lippenbekenntnis.

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"Freiheit für Julian Assange", UZ vom 28. Juni 2024



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