Wer die Reisefreiheit, eine heilige Kuh der „freien Welt“, antastet, wird in der Regel sofort einer Verletzung der Menschenrechte bezichtigt. Das galt jedenfalls für die DDR und – bis das Land Anfang 2013 sämtliche Reisebeschränkungen aufhob – auch für Kuba. Als die kolumbianische Fluggesellschaft „Avianca“ mitteilte, ab Januar aufgrund der US-Blockade die einzige direkte Verbindung zwischen Havanna und El Salvador streichen zu müssen, kümmerte dies die „freie Welt“ nicht. Dabei schränke die Entscheidung „die Reisefreiheit aller Kubaner, die hier oder dort Angehörige besuchen wollen, massiv ein“, klagte Abel Bárzaga von der kubanischen Botschaft in El Salvador.
Nachdem die USA bereits ihren eigenen Bürgern nahezu alle Reisen nach Kuba verboten haben, versucht Washington zunehmend nun auch die Reisefreiheit von Kubanern und Bürgern anderer Länder einzuschränken. Die USA planten weitere Maßnahmen, um den Tourismus nach Kuba zu treffen und dem Land damit Devisen sowie eine wichtige Finanzierungsquelle zu entziehen, kündigte US-Diplomat Elliot Abrams, Donald Trumps „Sonderbeauftragter für Venezuela“, im Oktober an. Das dem Handelsministerium unterstehende „Bureau of Industry and Security“ (BIS) verhängte dann Ende Oktober neue Sanktionen, um zu verhindern, dass kubanische Gesellschaften Flugzeuge und Schiffe im Ausland chartern können. Das schaffte zusätzliche Probleme, die letzten Endes die gesamte Bevölkerung trafen.
Bereits von April 2018 bis März 2019 hatte die US-Blockade in Kubas Verkehrssektor zu Verlusten in Höhe von 170 Millionen Dollar (153 Millionen Euro) und damit 69 Millionen mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres geführt, teilte die Stellvertretende Ministerin für Transport, Naima Alfonso Acosta, mit. Da Kuba Flugzeuge nur zu höheren Preisen als üblich chartern könne und für die Wartung oft Teile mit US-Komponenten gebraucht würden, sei die Luftfahrt schon 2018 mit einem Minus von 136 Millionen der defizitärste Bereich gewesen. Auch die einheimische Fluggesellschaft „Cubana“ musste aufgrund der Sanktionen zahlreiche In- und Auslandsflüge streichen. Im maritimen Sektor werden internationale Reedereien damit unter Druck gesetzt, dass ihre Schiffe 180 Tage lang keinen US-Hafen anlaufen dürfen, wenn sie Waren nach oder von Kuba transportieren.
Makabererweise hatte der von den USA und der EU-Rechten in den letzten Wochen als „Freiheitskämpfer“ gefeierte Systemgegner José Daniel Ferrer, der in Kuba seit 1993 wegen krimineller Delikte wiederholt verurteilt worden war, die Einschränkung der Reisefreiheit schon früh als „Waffe gegen das System“ empfohlen. „Jetzt ist der Moment, eine Politik, die dem Regime nützt, zu ändern“, forderte der Anführer der aus den USA finanzierten Oppositionsgruppe „Unión Patriótica de Cuba“ (UNPACU) nach der Amtsübergabe von Barack Obama an Donald Trump. „Jetzt ist der Moment, über das Regime von Raúl Castro und das von Nicolás Maduro harte Sanktionen zu verhängen“, zitierte ihn damals das in Madrid erscheinende Contra-Portal „Diario de Cuba“. Die jetzt von Washington lancierte internationale Medienkampagne, in der Ferrer als unschuldiges Opfer des kubanischen Repressionsapparates dargestellt werden soll, verschweigt solche Aussagen ebenso wie das lange Vorstrafenregister des neuen Stars am Dissidentenhimmel.
Derweil zielen die Maßnahmen der US-Blockade längst nicht mehr nur darauf ab, dem Land möglichst jeden Zugang zu Devisen zu nehmen. Es geht Washington auch darum, die sozialen Fundamente des alternativen Gesellschaftsmodells zu zerstören. Dazu gehört neben dem Gesundheitswesen auch der Bildungssektor. Im Artikel 73 der neuen kubanischen Verfassung ist das unveräußerliche Recht auf Bildung verankert sowie die Verpflichtung des Staates, den Bürgern einen kostenlosen Zugang auf allen Ebenen zu garantieren. Um dieses Recht zu garantieren, investiert Kuba derzeit 23,7 Prozent des Haushalts in diesen Sektor, während die reiche, nicht unter einer Blockade leidende Bundesrepublik nur rund 5 Prozent von ihrem Gesamtetat für die Bildung aufwendet. Ihren „immensen Haushaltsspielraum“ habe die Bundesregierung vor allem dafür genutzt, „die Ausgaben für Verteidigung, Verkehr (und) innere Sicherheit … zu erhöhen“, kritisierte am 29. August selbst das regierungsfreundliche „Handelsblatt“. Zur gleichen Zeit wurde der Universität von Sancti Spiritus – um nur ein Beispiel zu nennen – der Ankauf von 20 elektronischen Smart-Brailler-Schreibmaschinen samt Audio-Zubehör zur Ausbildung von Studenten in Blindenschrift aus dem einzigen Grund verweigert, weil deren Hersteller „Perkins“ mit Sitz in Watertown (Massachusetts) die Geräte wegen der US-Blockade nicht nach Kuba liefern darf.