In NRW marschieren Bürgerwehren mit staatlicher Genehmigung

Freies Geleit für Terroristen?

Von Markus Bernhardt

Am Sonntag droht den Duisburgerinnen und Duisburgern erneut ein Aufmarsch von Neonazis und Rassisten. So wollen dann Anhänger von „Pegida NRW“ und einer Reihe ähnlicher Gruppierungen wie etwa die ebenfalls einschlägig in Erscheinung getretenen Zusammenschlüsse „Mönchengladbach steht auf“, die „Patriotic Opposition Europe“, die „Bruderschaft Herne“ und die „Altenessener Jungs“ in der Ruhrgebietsmetropole aufmarschieren, um ihrer Forderung nach mehr Sicherheit und Ordnung Nachdruck zu verleihen. Angaben von „Pegida NRW“ zufolge soll auch André Poggenburg, ehemaliger AfD-Politiker aus Sachsen-Anhalt, an dem Aufmarsch der extremen Rechten teilnehmen. Ob dies wirklich zutrifft, gilt jedoch als fraglich. So hatten die Rechten in der Vergangenheit bereits mit einem prominenteren Redner geworben, der seinen angeblichen Auftritt dann öffentlich dementierte.

Bereits seit geraumer Zeit beobachten Antifaschistinnen und Antifaschisten verstärkte Bemühungen der extremen Rechten, sich über Städtegrenzen hinweg weiter zu vernetzen. Vor allem das Spektrum sogenannter Bürgerwehren, das sich maßgeblich aus dem kriminellen Rocker- und Hooliganmilieu speist, erhält in letzter Zeit Zulauf. Die in Düsseldorf aktive „Bruderschaft Deutschland“ soll über eine mittlere zweistellige Zahl an Mitgliedern verfügen, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage von Ulla Jelpke von der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht.

Neben den selbsternannten Bürgerwehren, die unter anderem in Essen-Steele, Mönchengladbach und Herne ihr Unwesen treiben, fielen in der jüngsten Vergangenheit auch die NPD und die als aggressiv-kämpferische geltende Kleinstpartei „Der III. Weg“ in verschiedenen Städten durch bürgerwehrähnliche Strukturen auf. So gingen Anhänger des „III. Weges“ etwa in Augsburg, Schwedt, Montabaur, Berlin, Petershausen und Angermünde als „Nationalrevolutionäre Streifen“ auf Entdeckungstour, wie die Bundesregierung auf die Anfrage Jelpkes mitteilte. Die NPD soll im Rahmen ihrer „Schutzzonen“-Kampagne im August und September dieses Jahres rund 20 Aktionen – maßgeblich in Sachsen und Brandenburg – durchgeführt haben.

Mittlerweile mehren sich Hinweise darauf, dass auch die traditionellen Neonazi-Parteien versucht sind, bestehende Kontakte zu der Szene der Bürgerwehren auszubauen. So nahmen Vertreter der Partei „Die Rechte“ in Essen bereits an Aktivitäten der „Steeler Jungs“ teil. Aktuell scheint die neofaschistische Kleinstpartei in Dortmund jedoch vor allem um die Verteidigung des kürzlich eröffneten „Thor Steinar“-Ladens bemüht zu sein. Nach einer Reihe von antifaschistischen Protestaktionen ist der Laden zwar zur Zeit aufgrund von Brandschutzmängeln geschlossen, dies bedeutet jedoch keineswegs, dass er nicht in Kürze wieder öffnen könnte.

Das antifaschistische Bündnis „Duisburg stellt sich quer!“ (DSSQ) ruft unterdessen dazu auf, den Naziaufmarsch am Sonntag zu verhindern. „Die Rassisten wollen in Duisburg aufmarschieren, um gegen Migrantinnen und Migranten zu hetzen und bestehende soziale Konflikte rassistisch anzuheizen“, konstatieren die Antifaschisten. Dies wolle man ebenso verhindern wie den Ausbau rechter Strukturen über Stadtgrenzen hinweg. Es müsse nun darum gehen, dass die erstarkende rechte Szene ernst genommen werde und sich die Antifaszene in NRW neu aufstelle. „Antifaschismus ist für uns nicht von der sozialen Frage und der Ablehnung von Krieg und Besatzung zu trennen“, heißt es seitens der Duisburger Nazigegner.

Mittlerweile scheinen auch etablierte Politikerinnen und Politiker zumindest teilweise zu erahnen, welche Gefahr von den extremen Rechten tatsächlich ausgeht. „Die Wölfe haben ihren Schafspelz längst abgelegt“, warnte kürzlich etwa NRW-Landesinnenminister Herbert Reul (CDU). Er geht davon aus, dass die sogenannte Bürgerwehrszene in NRW aus etwa 250 Mitgliedern bestehe, jedoch bis zu 700 Personen mobilisierbar seien.

Tätig ist das von ihm geführte Ministerium jedoch bisher nicht geworden. So hatte etwa die „Bruderschaft Deutschland“, die in Düsseldorf ihr Unwesen treibt, bei einem Naziaufmarsch am 3. Oktober in Berlin die Parole „Wenn wir wollen, schlagen wir euch tot!“ skandiert. Obwohl dies als Aufforderung zu beziehungsweise Ankündigung von Straftaten gewertet werden könnte, sind Ermittlungen bisher nicht bekannt.

Hinzu kommt der irritierende Fakt, dass besagtes Spektrum selbst von der Bundesregierung als potenziell rechtsterroristisch eingestuft wird, besagte Kreise jedoch ohne Weiteres von den lokalen Behörden wie aktuell in Duisburg die Aufmärsche genehmigt werden. „Wo die Zuständigen versagen oder bewusst wegschauen, muss der Antifaschismus und die eigenen Hände genommen werden. Und dieser politischen Verantwortung werden wir uns stellen“, so eine Sprecherin von DSSQ am Dienstag gegenüber dieser Zeitung.

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"Freies Geleit für Terroristen?", UZ vom 15. November 2019



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