Vietnam, das TPP und die Großmächte

Frei, fair, friedlich?

Von Stefan Kühner

Unternehmerfreundlich

USA: TPP im Schnellverfahren

Die Abstimmung über die Abkommen zur Trans-Pazifischen Partnerschaft (TTP) und Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) könnte im US-Kongress als „Fast Track“ durchgepeitscht werden: eine Abstimmung im Schnellverfahren über das komplette Abkommen, ohne die Möglichkeit einer Debatte im Kongress oder gar Änderungen einzubringen. Damit würde der US-Kongress für die nächsten sechs Jahre jeder Möglichkeit beraubt, den Inhalt der geheim ausgehandelten Abkommen zu verändern oder zu debattieren.

Nicht nur die Gewerkschaften in den USA lehnen TTP und TTIP ab, sondern auch die Mehrheit der Abgeordneten der Demokratischen Partei. Obama gedenkt also, sich diese Mehrheit mit Hilfe der Republikaner zu verschaffen. Er will das Abkommen auch deshalb möglichst schnell durch den Kongress bringen, um den Wahlkampf zur Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr nicht mit diesem Thema zu belasten. Zwei Millionen Menschen schrieben Kongress-Abgeordnete an, damit diese ein solches Schnellverfahren verhindern. Obama wird von Kritikern vorgeworfen, den Inhalt der Abkommen geheim zu halten, um damit Proteste zu verunmöglichen.

Hintergrund der Abkommen, insbesondere TTP, ist der ökonomische Wettstreit der USA mit China. Da sieht Oba­ma die USA auf dem absteigenden Ast, während Gewerkschaften ökonomische Nachteile, z. B. massiven Stellenabbau, durch diese Abkommen befürchten. Ökonomen errechneten, dass die 1994 eingeführten Freihandelszonen mit Kanada und Mexiko (NAFTA) in den USA 4 bis 5 Millionen Arbeitsplätze vernichteten. Löhne sanken demzufolge vor allem bei denen, die ohnehin wenig verdienen. So bekommen Beschäftigte ohne Universitätsabschluss heute 1 800 Dollar im Jahr weniger als vor NAFTA.

In Bezug auf den Handel mit dem asiatischen Raum schrieb der Ökonom Dean Baker in der „Huffington Post“, die Barrieren seien ohnehin niedrig: „Hauptsächlich geht es im Abkommen darum, eine unternehmerfreundliche Regelungsstruktur durchzusetzen.“

Birgit Gärtner

Zum ersten Mal, seit die USA im Vietnamkrieg geschlagen wurden, besuchte der Generalsekretär der der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV) den US-Präsidenten. Nguyen Phu Trong reiste in der vergangenen Woche, vom 6. bis zum 10. Juli, in die USA. Zum einen ging es bei den Gesprächen um das transpazifische Freihandelsabkommen TPP, über das die USA und elf weitere am Pazifik gelegene Staaten, darunter auch Vietnam, verhandeln. Zum anderen ging es um die strategischen Machtinteressen, die China, seine Nachbarstaaten und die USA verfolgen. Die USA versuchen seit einigen Jahren, ihre militärische Macht in der Region auszubauen und nutzen dabei die Furcht der kleineren Staaten vor China aus.

Während in Europa über TTIP diskutiert wird, laufen in der Pazifikregion Verhandlungen über ein ähnliches Abkommen – TPP. Hier wie dort wird hinter verschlossenen Türen verhandelt, hier wie dort birgt das Abkommen viele Gefahren für die beteiligten Staaten. Im Gegensatz zu Europa laufen diese Verhandlungen dort allerdings weitgehend ohne öffentliche Diskussionen.

Die USA wollen dabei „robuste Abkommen auf hohem Standard für freien und fairen Handel, um Amerikas Arbeiter zu schützen und unseren Unternehmen die Möglichkeit zu geben im Wettbewerb besser zu bestehen“, erklärte US-Präsident Obama im Juni – und weiter: „Ich fordere den Kongress zusätzlich auf, gesetzliche Maßregeln zu treffen, die es erlauben, gegen alle Länder, die sich an solche Abkommen nicht halten, in aller Härte durchzugreifen.“

Die vietnamesische Regierung und die KPV erhoffen sich viel von diesem Abkommen. Für den vietnamesischen Vizehandelsminister Tran Quoc Khanh ergibt sich für Vietnam durch das TPP-Abkommen die Chance, sich dem größten Konsummarkt in den USA annähern zu können: „Wenn das Abkommen erfolgreich verhandelt wird, können wir uns an den Produktionsketten in der Region und in der Welt beteiligen.“

Auch Generalsekretär Nguyen Phu Trong betonte gleich am ersten Tag seiner USA-Reise, die Integration in die Weltwirtschaft sei die Richtlinie Vietnams. Er äußerte den Wunsch, dass die USA ihren Markt für vietnamesische Waren öffnen und Vietnam als Marktwirtschaft anerkennen sollten. Vietnam will vor allem eine Beseitigung der ausländischen Schutzzölle, die auf den vietnamesischen Hauptexportartikeln liegen: Schuhe, Textilien und Meeresfrüchte. Vietnam hat riesige Investitionen getätigt, um die Wirtschaft anzukurbeln. Nun will es auch, dass über den Export Geld zurückfließt.

Bislang liegen die Einfuhrzölle vietnamesischer Waren dieses Sektors bei 17,3 Prozent In der Tat könnte der Wegfall der Zölle für Vietnam einen neuen Wachstumsschub bedeuten. Vietnam erhofft sich riesige ausländische Investitionen und träumt davon, dass das TPP Vietnam zum größten Zentrum für Bekleidung aufzusteigen lässt.

Aber selbst der Verband der vietnamesischen Textilindustrie warnt davor, dass Vietnam zu einem Welt-Bekleidungs-Zentrum mit drei ‚Haben-wir-nicht‘ werden könnte: Es gibt kein eigenes Rohmaterial, keine eigenen Maschinen und keine eigene Technologie, heißt es in einer Erklärung des Verbandes von Oktober 2013. Ein weiteres Problem: Vietnam macht lediglich den letzten Schritt in der Wertschöpfungskette der Bekleidungsindustrie, nämlich Stoffe schneiden, nähen, Knöpfe annähen und alles schön verpacken. Außerdem verlangt das TPP von Vietnam, das „yarn forward“-Prinzip einzuhalten. Dies würde bedeuten, dass Vietnam nur Garne und Stoffe aus TPP-Ländern verarbeiten darf. Heute stammt aber ein Großteil dieser Grundstoffe aus China und Taiwan – und auch mit diesen Ländern will Vietnam es sich nicht verderben. Außerdem ist die Bekleidungsindustrie heute zum größten Teil in Händen ausländischer Firmen, die sich nicht um Vietnams Interessen, sondern um ihre eigenen Profite kümmern. Das TPP ist kein Projekt, das eine langfristige Entwicklung Vietnams sichert. Die Orientierung auf die Bereitstellung billiger Arbeitskräfte für den Bedarf an billiger Kleidung und Schuhen reicht nicht aus, um die eigene Wirtschaftskraft zu steigern.

Öffentliche Diskussionen um das TPP gibt es in Vietnam nur wenig: Einzelne Parlamentarier und Wissenschaftler erheben in Zeitungsbeiträgen ihre Stimme. Einer von ihnen ist Truong Trong Nghia, Parlamentarier aus Ho-Chi-Minh-Stadt. Er erklärte im April, man solle nicht nur auf das reine Wachstum achten, sondern die Qualität des Wachstums beachten und dass Kapital nach Vietnam zurückfließt. Zusätzlich warnt er vor einer Verschleuderung der natürlichen Ressourcen des Landes: „Wenn wir weiterhin unsere Ressourcen verschleudern, begehen wir Selbstmord.“ Ein Problem für die fehlende Diskussion über das TPP ist nicht nur die Geheimhaltung, sondern auch massiver zeitlicher Druck, den die USA auf Vietnam ausübten. Vietnam bräuchte eigentlich viel mehr Zeit. Ein weiterer Skandal ist nach Ansicht von Nadja Charaby von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, dass es voraussichtlich keinen offiziellen Vertragstext in Vietnamesisch geben wird. Dies bedeute, dass selbst viele Parlamentarier den Originaltext nicht werden lesen können – Methoden, die in Europa in ähnlicher Form angewandt werden.

Mit Hilfe des TPP will Vietnam sich auch aus der starken Abhängigkeit von China lösen. Dabei geht es sowohl um ein riesiges Handelsdefizit als auch um die Territorialkonflikte um einige Inselgruppen im (in China als Südchinesisches Meer bezeichneten) Ostmeer. Vietnam spekuliert offensichtlich auch auf Waffenlieferungen aus den USA, wenn sie das TPP unterzeichnen. Am Vorabend des Besuchs hatte der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams in mehreren Interviews mit US-Medien die Rolle der Vereinigten Staaten in den multilateralen Bemühungen zur Erhaltung des Friedens und der Stabilität in der asiatisch-pazifischen Region hervorgehoben.

Unser Autor ist stellvertretender Vorsitzender der Freundschaftsgesellschaft BRD-Vietnam.

Unternehmerfreundlich

USA: TPP im Schnellverfahren

Die Abstimmung über die Abkommen zur Trans-Pazifischen Partnerschaft (TTP) und Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) könnte im US-Kongress als „Fast Track“ durchgepeitscht werden: eine Abstimmung im Schnellverfahren über das komplette Abkommen, ohne die Möglichkeit einer Debatte im Kongress oder gar Änderungen einzubringen. Damit würde der US-Kongress für die nächsten sechs Jahre jeder Möglichkeit beraubt, den Inhalt der geheim ausgehandelten Abkommen zu verändern oder zu debattieren.

Nicht nur die Gewerkschaften in den USA lehnen TTP und TTIP ab, sondern auch die Mehrheit der Abgeordneten der Demokratischen Partei. Obama gedenkt also, sich diese Mehrheit mit Hilfe der Republikaner zu verschaffen. Er will das Abkommen auch deshalb möglichst schnell durch den Kongress bringen, um den Wahlkampf zur Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr nicht mit diesem Thema zu belasten. Zwei Millionen Menschen schrieben Kongress-Abgeordnete an, damit diese ein solches Schnellverfahren verhindern. Obama wird von Kritikern vorgeworfen, den Inhalt der Abkommen geheim zu halten, um damit Proteste zu verunmöglichen.

Hintergrund der Abkommen, insbesondere TTP, ist der ökonomische Wettstreit der USA mit China. Da sieht Oba­ma die USA auf dem absteigenden Ast, während Gewerkschaften ökonomische Nachteile, z. B. massiven Stellenabbau, durch diese Abkommen befürchten. Ökonomen errechneten, dass die 1994 eingeführten Freihandelszonen mit Kanada und Mexiko (NAFTA) in den USA 4 bis 5 Millionen Arbeitsplätze vernichteten. Löhne sanken demzufolge vor allem bei denen, die ohnehin wenig verdienen. So bekommen Beschäftigte ohne Universitätsabschluss heute 1 800 Dollar im Jahr weniger als vor NAFTA.

In Bezug auf den Handel mit dem asiatischen Raum schrieb der Ökonom Dean Baker in der „Huffington Post“, die Barrieren seien ohnehin niedrig: „Hauptsächlich geht es im Abkommen darum, eine unternehmerfreundliche Regelungsstruktur durchzusetzen.“

Birgit Gärtner

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"Frei, fair, friedlich?", UZ vom 17. Juli 2015



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