In Stuttgart diskutierten kämpferische Frauen über Chancen und Gefahren der internationalen Entwicklung für Befreiung und Gleichberechtigung

Frauentag im Zetkin-Haus

Emsiges Treiben erfüllte das Clara-Zetkin-Haus in Stuttgart am vergangenen Sonntag. Vor 115 Jahren wurde das Waldheim als Ort der Erholung und Freizeit für die Arbeiterklasse gegründet. Noch immer ist es ein Zufluchtsort für Familien und ein Raum der politischen Diskussion. Dorthin hatte die DKP Baden-Württemberg geladen, um unter dem Motto „Frauenkämpfe sind Klassenkämpfe!“ den Internationalen Frauentag zu begehen.

Rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten die interessante Diskussion auf dem Podium, das mit UZ-Redakteurin Melina Deymann, Christa Hourani vom Aktionsbündnis 8. März und Angelika Becker von der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba besetzt war.

„Der Frauentag ist kein Valentinstag und wird auch kein Valentinstag“, stellte Moderatorin und Gastegeberin Konni Lopau direkt zu Beginn klar. „Wir kriegen nichts geschenkt. Wir haben uns alles erkämpfen müssen.“ Deshalb sei es wichtig, den Frauentag als Kampftag zu begehen und Kräfte zu sammeln für kommende Kämpfe.

Melina Deymann beschäftigte sich in ihrem Eröffnungsbeitrag mit einer neuen Form des Menschenrechtsimperialismus – dem Frauenrechtsimperialismus. Als „entlarvend“ bezeichnete sie dabei die von Annalena Baerbock (Grüne) vorgestellten „Leitlinien für eine feministische Außenpolitik“, die das Außenministerium unter dem Motto „Kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck“ vorgestellt hatte. „Ich habe keinen Aufschrei gehört, als in Polen Schwangerschaftsabbrüche verboten wurden“, führte Deymann aus. Auch der US-Botschafter sei nicht einbestellt worden, als in den USA die Kinderarbeit wieder eingeführt wurde. Eine Rolle spielen würden Frauenrechte in Ländern, „die geopolitisch nicht genehm sind“. Für Afghanistan wurden im Namen der „feministischen Außenpolitik“ humanitäre Hilfen eingestellt, Frauen und Kinder in den Hungertod getrieben. In der Ukraine diffamiert Baerbock diplomatische Lösungen und in Gaza – wo 70 Prozent der Opfer des israelischen Krieges Frauen und Kinder sind – werde Israel mit Waffenlieferungen und politischer Rückendeckung unterstützt. „Feministische Außenpolitik ist Völkermordpolitik“, fasste Deymann unter Applaus zusammen.

Auch Christa Hourani widmete sich internationalen Kämpfen, nahm mit einem Abriss zur Geschichte der Frauenstreiks jedoch die Gegenbewegung in den Blick. Sie begann ihre Ausführungen mit den Textilarbeiterinnen in Crimmitschau, die im Jahr 1903 unter dem Motto „Eine Stunde für uns! Eine Stunde für unsere Familie! Eine Stunde fürs Leben!“, den Kampf für eine Arbeitszeitverkürzung und höhere Löhne aufgenommen hatten. Sie sprang in das Jahr 1975, in dem 90 Prozent der Isländerinnen am sogenannten „Frauen-Ruhetag“ teilnahmen. Die Streiktradition habe nachhaltig gewirkt, die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen sei in Island heute deutlich geringer als in den meisten anderen Ländern. Als weiteres Beispiel ging Hourani auf die Schweiz ein, wo im Jahr 1991 mit der Forderung nach Gleichberechtigung die größte öffentliche Mobilisierung seit 1918 gelungen war. 1994 habe es dann den ersten politischen Frauenstreiktag in Deutschland gegeben, mit mehr als einer Million Teilnehmerinnen und zahlreichen Aktionen in Betrieben. Unter dem Motto „Charlotte nimmt sich ihren Platz“, kam es in diesem Rahmen zur Besetzung des Stuttgarter Charlottenplatzes.

Angelika Becker lenkte den Blick auf die Situation der Frauen in Kuba. Anschaulich berichtete sie von Besuchen auf der Insel, von der Selbstverständlichkeit, mit der Frauen durch ihre Vertretungen an der Betriebspolitik beteiligt sind und mit der sie den gleichen Lohn wie Männer erhalten. Die Fragen der deutschen Besucher nach Gleichberechtigung im Arbeitsleben würden vor Ort eher nachsichtig belächelt oder gar nicht verstanden. Auch im Kampf gegen den Machismus und tradierte Rollenverteilungen seien Fortschritte erzielt worden. Becker verwies auf das neue Familiengesetz, das trotz heftiger Stimmungsmache von Kirchen und Kontras eine hohe Zustimmung bei der Volksabstimmung erhielt.

Doch Becker ließ auch keinen Zweifel daran, dass die Lage der Frauen – sowie aller Menschen in Kuba – maßgeblich von den wirtschaftlichen und geopolitischen Rahmenbedingungen abhängt. Die Angriffe des US-Imperialismus und die mörderische Blockade hätten die sozialistische Insel in eine Situation gebracht, die Becker als „äußerst schwierig und kritisch“ beschrieb. Die Versorgung mit Lebensmitteln, Treibstoff und Energie sei äußerst problematisch. „Joe Biden hat keine Anstalten gemacht, die Situation zu verbessern – im Gegenteil“, erläuterte Becker.

Das über die verschiedenen Eröffnungsbeiträge gezeichnete Bild einer widersprüchlichen Weltentwicklung zwischen Kriegsgefahr, zu verteidigendem Fortschritt und Perspektiven für eine bessere Zukunft prägte auch die Abschlussrunde. „Es ist erschreckend, wie in Deutschland der Krieg in aller Öffentlichkeit vorbereitet wird“, sagte Melina Deymann. Zugleich gebe es Hoffnung: „Afrikanische Länder, die die ehemaligen Kolonialherren hinauswerfen, bessere Kampfbedingungen in vielen Ländern auch für die Frauenbewegung“. Mit der neuen Seidenstraße gebe es für viele afrikanische Länder zum ersten Mal die Möglichkeit, mit jemandem auf Augenhöhe zu verhandeln. Die Volksrepublik China setze dem ums Überleben kämpfenden Imperialismus eine Strategie der internationalen Kooperation, der Diplomatie und der Stärkung völkerrechtlicher Institutionen entgegen.

„Die Weltentscheidungen finden nicht im Westen statt. Wenn ich Hoffnung schöpfe, dann beruht sie auf anderen Teilen der Welt“, schloss Angelika Becker. „Wir hier müssen mit mehr Repression und mehr Sozialabbau rechnen und dennoch alles dafür tun, den kubanischen Weg zum Sozialismus zu verteidigen“.

Verstärkte Repressionen bestätigte Christa Hourani auch gegen die Frauenrechtsbewegung hier. Doch die Repression schaffe es nicht, den Kampf zu unterdrücken. Notwendig sei es, solidarisch zusammenzuhalten. Wie das gelingen kann, führte Hourani an einem Beispiel aus. Einer Demonstrantin, die vor Gericht anhand ihrer lilafarbenen Socke identifiziert worden sei, griff die Stuttgarter Bewegung mit einer „Lila-Socken-Kampagne“ unter die Arme. Durch den Verkauf von Strümpfen sei es gelungen, die Strafe zu zahlen, zu der die Frau verurteilt wurde.

Es gab also viel Diskussionsstoff für die Gäste, die sich nach dem gemeinsamen Singen von „Brot und Rosen“ noch an den im Waldheim angebotenen Speisen und Getränken erfreuen konnten. Einige nutzten die Gelegenheit, sich die von Klaus Mausner geschaffene Büste von Clara Zetkin anzuschauen, die erst am Tag zuvor enthüllt worden war. Ein runder Abschluss für einen kämpferischen Tag.

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"Frauentag im Zetkin-Haus", UZ vom 15. März 2024



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