Frauenfrage ist Klassenfrage

Freya Pillardy zum Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Frauen werden schlechter als Männer bezahlt. Sie können schließlich jederzeit ausfallen, weil sie Kinder bekommen können. Wenn eine Frau weniger Geld bekommt, dann hat sie eben schlecht verhandelt. Mit dieser Begründung wurde vor rund einem Jahr die Klage einer ARD-Mitarbeiterin gegen eine geringere Bezahlung gegenüber ihren männlichen Kollegen mit gleicher Tätigkeit abgewiesen.

Der Kapitalismus weiß eben die historisch mit dem Privateigentum an Produktionsmitteln entstandene Unterdrückung der Frau zu nutzen, um größeren Profit zu generieren. Rechtfertigend heißt es, dass Frauen sowieso nur dazuverdienen müssen. Das wird aber schwierig, wenn niedrige Frauenlöhne die Männerlöhne unter Konkurrenzdruck setzen. Also gewinnt das Kapital doppelt. Nein, sogar dreifach: Frauen, die durch die Überausbeutung eher als der Mann ihren Job für Haushalt und Kinder aufgeben, wechseln oft in noch schlechter bezahlte Teilzeit. Wenn die Frau durch geringen Lohn vom Mann finanziell abhängig ist, hält sie eher die Klappe, wenn es um häusliche Gewalt geht.

Die Regierung, in deren Auftrag am 21. Juni ein Gleichstellungsbericht erschienen ist, um Maßnahmen für Gleichstellung auszuarbeiten, ist selbst für die Armut von Frauen mit verantwortlich. Frauen arbeiten häufig im Reproduktionssektor. Dieser ist zu Gunsten von Rüstungsausgaben und Unternehmenssubventionen massiv unterfinanziert, und die Löhne sind entsprechend niedrig. Schließlich ist es ja eine Selbstverständlichkeit, dass Frauen ein bisschen mit Kindern spielen und sich um Schwache kümmern. Wenn nicht zu geringem Lohn, dann einfach selber im Privaten, komplett ohne Bezahlung. Das ist noch billiger.

Ein Effekt besteht darin, dass Deutschland in Europa auch bei der Ungleichheit von Mann und Frau an der Spitze steht. In vielen, auch kapitalistischen Staaten Europas ist die Lohndifferenz zwischen Mann und Frau geringer und häusliche Gewalt seltener. Und auch der Gleichstellungsbericht der Bundesregierung muss zugeben: Frauen in Ostdeutschland sind heute immer noch emanzipierter. Die Situation von Frauen im „Unrechtsstaat DDR“ war wesentlich besser als sie aktuell in allen kapitalistischen Staaten Europas ist.

Es ist lächerlich, wenn diese Regierung behauptet, den Anspruch zu haben, Gleichberechtigung zu fördern. Die Frauenfrage ist nicht von der Klassenfrage zu trennen.

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"Frauenfrage ist Klassenfrage", UZ vom 30. Juni 2017



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