Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen in Deutschland

Frauen ohne Grenzen

Von Ö. G. (Übers.: M. Idler)

Angesichts des 8. März, des Internationalen Frauentages, stehen die Lage und die Kämpfe der Migranten- und Flüchtlingsfrauen in Deutschland, in Europa und den USA im Fokus. Der Krieg in Syrien, gefördert von den imperialistischen Kernländern, treibt viele Menschen in die Flucht, unter ihnen Frauen und Kinder. Der Rechtsopulismus in Deutschland und anderswo zielt auf Frauen und Migranten und verstärkt sexistische und rassistische Tendenzen. Obwohl die Erfahrungen der Frauen in verschiedenen Regionen und nach ihrer Position in der Gesellschaft variieren, leiden sie am meisten unter der kapitalistischen Globalisierung, den imperialistischen Kriegen, dem steigenden Einfluss der Rechten und der neoliberalen Politik.

Deutschland hat als Einwanderungsland bereits eine Geschichte der Migrantenfrauen, ihrer Erfahrungen und Kämpfe. Seit 2015 steigen die Zuwanderungszahlen – auch als Folge des Kriegs in Syrien – mehr als je zuvor. Damit wächst auch die Zahl der geflohenen Frauen. Diese Frauen erleben ein „Frau-Sein“, das mit Diskriminierung, Ausbeutung und Rassismus verbunden ist. Flüchtlingsfrauen kommen mit Erfahrungen von körperlicher und psychischer Ausbeutung und Demütigung, sexuellen Angriffen und Gewalt nach Deutschland. Was für alle Flüchtenden gilt, gilt für Frauen noch verstärkt: Sie sind den Launen der Menschenhändler unterworfen, werden missbraucht und vergewaltigt. Sie fliehen vor der Gewalt in ihren Herkunftsländern auf einem Weg der Gewalt, vor allem sexueller Gewalt. In Deutschland begrüßt sie eine Asylpolitik, die sie in Flüchtlingslager führt, wo es keine Privatsphäre und keinen Schutz vor Missbrauch gibt, wo sie isoliert sind und daran gehindert werden, ihre Stimme zu erheben.

Deutschland wird als eines der Länder mit dem höchsten Stand der Geschlechtergleichstellung eingestuft, dennoch sind Flüchtlingsfrauen nicht ausreichend vor männlicher Gewalt geschützt. Die Flüchtlingseinrichtungen sind überbelegt und es fehlt privater Raum – einschließlich des Mangels an Bädern und Toiletten. Auch hier sind die Frauen den männlichen Flüchtlingen unterworfen. Darüber hinaus erleben sie die Dominanz des Sicherheitspersonals, der Polizei und der Beamten. Eine Syrerin fasst ihre Erfahrungen in dem Satz zusammen: „Fast alle Männer sind böse.“

Frauen sind gezwungen, in diesen unsicheren Bedingungen zu leben ohne die Möglichkeit, Schutz bietende Institutionen zu erreichen. Wie die meisten Migrantenfrauen arbeiten Flüchtlingsfrauen unterbezahlt oder in Teilzeit in „flexiblen“ und „prekären“ Jobs, die meist zu ihrer traditionellen Rolle passen, wie Reinigung, Kinder- und Altenpflege und Sexarbeit. Da die Flüchtlinge in Deutschland kein Recht auf eine Arbeitserlaubnis haben, sind sie gezwungen illegal zu arbeiten.

Wenn sie eine Arbeitserlaubnis haben wird das Bild nicht besser. Das geschlechtsspezifische Lohngefälle in Deutschland liegt im Durchschnitt aller Sektoren bei rund 21 Prozent zugunsten der Männer. Für Migranten- und Flüchtlingsfrauen ist die Situation jedoch noch schlechter, da sie ganz unten und mit der Bürde ihrer traditionellen Rolle anfangen. Sie haben entweder keine Berufsausbildung oder die Ausbildung in ihren Herkunftsländern wird in Deutschland nicht anerkannt, ihre deutschen Sprachkenntnisse bleiben im Vergleich zu männlichen Flüchtlingen und Migranten eher zurück, da Frauen isolierter und an traditionelle häusliche Verantwortlichkeiten gebunden sind. So werden Flüchtlings- und Migrantenfrauen als billige, flexible, fügsame Arbeitskräfte angesehen. Traditionelle Rollenbilder und der Mangel an Qualifikation erlauben ihnen meist nur in Mini-Jobs zu arbeiten. Etwa 70 Prozent der in solchen Jobs Beschäftigten sind Frauen – überwiegend Migrantinnen. In erster Linie geht es bei diesen Mini-Jobs um Reinigung, Kochen oder Pflege – die Fortsetzung ihrer häuslichen Verpflichtungen am Arbeitsplatz. Sie haben kaum Kontakt mit den KollegInnen und wenig Chancen sich zu organisieren. Der Druck der flexiblen Arbeitszeiten, oft auf Abruf, führt zu Hetze. Die sogenannte Harmonisierung von Arbeit und Familienleben schafft neue Unterdrückung.

Die letzten Jahre sind für Frauen und Migranten vom Anwachsen des Rechtspopulismus und Konservatismus gekennzeichnet. Diskussionen über Flüchtlinge und Migranten stimulieren Vorurteile, Ängste und Hass. Der von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit getragene Aufstieg der Rechten drückt konservativen Diskurs und Politik noch weiter nach rechts. Allerdings ist der Konservatismus nicht nur gegen die „Ausländer“: Er ist verbunden mit Patriarchat, Frauenfeindlichkeit, dem Versuch, über Körper und Arbeit von Frauen zu bestimmen. Wir haben das bereits mit dem Anti-Abtreibungs-Gesetz in Polen im vergangenen Jahr erlebt und mit Trumps Präsidentschaftskampagne und seinem „Sieg“ auf der Basis einer fremden- und frauenfeindlichen Ideologie.

Rechter Populismus und Konservatismus nutzen alle Möglichkeiten, gegen Flüchtlinge und Migranten zu agitieren, indem sie die wirklichen Probleme verwischen. So haben die Debatten nach den Vorfällen in Köln am Silvesterabend 2015 nichts mit den Flüchtlings- und Migrantenfrauen zu tun. Die Heuchelei ist, dass hier keine Diskussion über Männerdominanz oder die Erfahrungen aller Frauen unter patriarchalischen Strukturen eröffnet wurde. Vielmehr richteten sich rassistische und diskriminierende Stimmen noch stärker gegen alle Flüchtlinge. Auf diese Weise kriminalisiert rechte Politik einerseits alle Flüchtlinge. Auf der anderen Seite wird so getan als ob Deutschland frei sei von männlicher Herrschaft und Gewalt, aktuell und historisch, und ignoriert die lange Geschichte der Kämpfe für Frauenrechte in diesem Land.

Der Internationale Frauentag ist ein guter Augenblick, um auch auf die Probleme der Flüchtlingsfrauen und Migrantinnen aufmerksam zu machen. Der Kampf um Zurückdrängung von männlich dominiertem Kapitalismus und Konservatismus ist für alle Frauen rund um den Globus, unabhängig vom Status, eine stetige Aufgabe. Flüchtlings- und Migrantenfrauen haben das Potenzial, die Solidarität zwischen Frauen über Grenzen hinweg zu schaffen. In ihren Erfahrungen bündeln sich alle Aspekte männlicher Herrschaft, alle Formen von Gewalt, beschränkte und traditionelle Rollenbilder und Ausbeutung der Arbeit. Ihre Erfahrungen und Kämpfe entlarven das Patriarchat und seine Strukturen. Entscheidend ist für Frauen, gegen alle Erscheinungsformen des Patriarchats zu kämpfen und dem Imperialismus, dem Neoliberalismus, dem Rassismus und den Patriarchen selbst entgegenzutreten.

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"Frauen ohne Grenzen", UZ vom 3. März 2017



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