Wie viel sind eigentlich 5 Prozent des BIP vom Staatshaushalt?

Frag doch mal …

Für den 15. März hatte die kampfstärkste DGB-Gewerkschaft, die IG Metall, zu einem Aktionstag in fünf Städten mobilisiert. Das Motto: „Mein Arbeitsplatz. Unser Industrieland. Unsere Zukunft!“ Nach Leipzig kamen mehr als 12.000 Metaller, die Stimmung war entschlossen. Fast war da Hoffnung auf ein politisches Signal an das Kriegsparlament, das drei Tage später die alle Vorstellungen übersteigenden Kriegskredite beschließen wollte – und es auch tat. Das wäre dann aber doch sehr naiv gewesen. Weder der Aufruf mit den Forderungen der IG Metall noch die Reden, die von der Tribüne über den Platz hallten, waren geeignet, auch nur den kleinsten Zusammenhang zwischen unbegrenzter Hochrüstung, Rüstungs- und Kriegswirtschaft und der sich daraus ergebenden sozialen Katastrophe herzustellen. Wie denn auch, wenn die IG Metall die Rüstungsindustrie, deren Planungssicherheit der Krieg ist, als Alternative zum Arbeitsplatzabbau anbietet und vertraglich sanktioniert. Das ist eine Burgfriedenspolitik, die Krieg billigend in Kauf nimmt – als ob es nie eine Geschichte gegeben hätte, als ob am Ende des Autobahnbaus nicht unendliches menschliches Leid gestanden hätte.

Die Mitglieder von DKP und SDAJ aus Leipzig, Halle, Zwickau, Torgau und weiteren DKP-Gruppen hatten allerdings kaum etwas anderes erwartet. Vorbereitet waren wir. Wie immer wurden sehr viele UZ verteilt, die SDAJ versuchte ideenreich gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht mobil zu machen, den Berliner Appell konnte man unterschreiben, die aktuellen Krisen-Infos und ein Banner waren dabei. Die Genossen aus Torgau verteilten ihre Zeitung und warben für den Elbetag, die Friedensdemonstration am 26. April in Torgau. Wir hatten darüber hinaus eine für uns außergewöhnliche Aktion vorbereitet: Eine Befragung auf Grundlage von Fragebögen, die im Auftrag der UZ von Genossin Ursula Vogt erarbeitet wurde. Zu viert führten wir diese Interviews durch, die zwar sehr kurzfristig angekündigt wurden, aber dafür inhaltlich und methodisch gründlich vorbereitet waren.

Zugang zu den Kolleginnen und Kollegen bekamen wir sofort. Keine Probleme, an der freiwilligen und anonymen Befragung teilzunehmen, keine Ablehnung, weil wir von der UZ und der DKP kamen. Es wurde zwar immer nur eine Person befragt, die Kolleginnen und Kollegen, die drumherum standen, diskutierten aber mit, denn man tauschte sich aus. Das war spannend. An den konzentrierten Gesichtern der Befragten und ihrer Umgebung konnte man ablesen, dass da etwas in ihnen vorging.

Die Fragen, aus dem Leben gegriffen, entpuppten sich schnell als ein Hebel zum Nachdenken. Von den gestellten Fragen sei hier nur auf zwei eingegangen. Gefragt wurde, ob es vorstellbar sei, nach Verlust des Arbeitsplatzes in der Rüstungsindustrie zu arbeiten. Nur eine Kollegin verneinte. Die anderen bejahten die Frage, aber nicht ohne gleich nachzuschieben, dass sie doch leben müssten, die Familie ernähren und ihre Rechnungen bezahlen. Um den „Dienst am Vaterland“ ging es hier nicht. Natürlich könne man sich auch anderes vorstellen, aber irgendwie erschien ihnen dieser Gedanke eher abwegig.

Der große Aha-Effekt kam mit der vierten Frage. Gefragt wurde hier: „Die Ausgaben im Bundeshaushalt für Rüstungsausgaben sollen steigen. Derzeit sind es etwa 2 Prozent. Robert Habeck und andere fordern 3,5 Prozent. Donald Trump, NATO-Chef Mark Rutte und die AfD wollen 5 Prozent.“ Dazu die Frage: „Wie viel würden 5 Prozent vom BIP vom Staatshaushalt ausmachen? Was meinst du?“ Blankes Entsetzen, als die Befragten und die Umstehenden hörten, dass 5 Prozent vom BIP fast die Hälfte des Staatshaushalts sind. Gerne hätten wir gewusst, was in diesem Moment in AfD-Wählern vorgegangen ist. Das ging aber nicht. Ziemlich allen Befragten war klar, dass ein Sondervermögen ganz einfach Schulden sind.

Fazit: Diese Aktion, die auch in Stuttgart durchgeführt wurde, sollte ausgewertet und, wo es angebracht ist, wiederholt werden. Eine solche Befragung hilft uns, unsere Argumente anschaulich zu machen, ins Gespräch zu kommen und die Kolleginnen und Kollegen zum Nachdenken zu bringen. Viel zu häufig reden wir ja über sie anstatt mit ihnen und wissen oft zu wenig darüber, was in ihren Köpfen in dieser tiefen Krise vor sich geht. Wenn wir etwas bewegen wollen, müssen wir aber einen Kern der Arbeiterinnen und Arbeiter gewinnen, die Erkenntnisse unter den Kollegen weiter verbreiten. Sicher, es kostet etwas Überwindung, die Gewerkschafter und Teilnehmer einer Demonstration anzusprechen, aber dann macht es auch Spaß, bringt Erkenntnisgewinn und stärkt nicht zuletzt auch unser Selbstbewusstsein.

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"Frag doch mal …", UZ vom 11. April 2025



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