Fracking atomisiert die SPD

Kolumne von Uwe Koopmann

Die Durchsetzung von Kapitalinteressen ist für die SPD gefährlich: Sie verliert dadurch dramatisch an Rückhalt beim Wahlvolk. Dieser Prozess hat inzwischen eine Dimension bekommen, mit der der Rest von Glaubwürdigkeit verschwindet. Zum Eiertanz um TTIP gesellt sich – auf kleinerer Flamme – seit rund einem Jahr die parlamentarische Auseinandersetzung um das Fracking.

Uwe Koopmann

Uwe Koopmann

Zur Durchsetzung dieser umstrittenen Fördertechnik für Öl und Gas und zur Nutzung der Tiefengeothermie liegt der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 23. April 2015 vor (Drucksache 18/4713). Das Dokument trägt den irreführenden Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wasser- und naturschutzrechtlicher Vorschriften zur Untersagung und zu Risikominimierung bei den Verfahren der Fracking-Technologie“.

Der Text lässt scheinbar Selbstzweifel durchschimmern: „Der Einsatz des sogenannten Fracking-Verfahrens bei der Gewinnung von Erdgas kann zu Konflikten mit den genannten Grundsätzen führen.“ Ein solcher Grundsatz ist die Erhaltung der öffentlichen Wasserversorgung, nachzulesen im § 6 Absatz 1 Nummer 4 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG). Ähnlich wie bei den nicht vorhandenen Atommüll-Endlagern ist auch beim Fracking nicht geklärt, wo die hochgiftigen „Spülmittel“ („Lagerstättenwasser“) untertägig auf Dauer gebunkert werden können. Kenntnisse fehlen, Erfahrungen fehlen. Anschauungsobjekte von verwüsteten Landschaften bieten die USA. Fazit: Diese Fördermethode ist untauglich.

Der Gesetzentwurf von Union und SPD stimmt dem scheinbar fast zu. Gleichzeitig haben sie jedoch gesetzliche Schlupflöcher für die Bohrlöcher konstruiert: Verseucht werden darf nicht in Wasser- und Heilquellenschutzgebieten, an Talsperren und bei Mineralwasservorkommen. Gleichzeitig listet der Katalog der „Begrenzungen“ auf: „Es dürfen nur Gemische (Frack-Flüssigkeit) verwendet werden, die nicht oder nur schwach wassergefährdend sind“. Der Gesetzentwurf listet unter „C. Alternativen“ auf: „Keine“.

Dieser Hinweis auf eine fehlende Alternative ist nicht richtig. Sie würde wie etwa in Frankreich lauten: Fracking-Verbot! Das forderten auch die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und die Partei „Die Linke“. Skepsis gab es auch im Bundesrat. Diese Gesetzesentwürfe waren allerdings nicht mehrheitsfähig, da ein konsequentes Fracking-Verbot nicht den Interessen der Energiewirtschaft (ExxonMobile, Wintershall, RWE DEA) und folglich denen von CDU/CSU und SPD entsprach.

Konkret: Dem Gesetzentwurf der Grünen stimmte ein Mandatsträger der SPD zu. Das entspricht 0,52 Prozent. Dagegen waren 141 Abgeordnete (73,06 Prozent). 40 Enthaltungen gab es, und elf Abgeordnete haben sich gar nicht beteiligt. Noch eine Zahl zum Vergleich. Sie zeigt die Selbstisolierung der SPD. „Abgeordnetenwatch“ gab eine repräsentative Meinungsumfrage in Auftrag. Sie ergab, dass 61 Prozent der Bundesbürger für ein Komplettverbot der umstrittenen Fördermethode sind – obwohl die doch „alternativlos“ ist.

Das erinnert an die CO-Pipeline, mit der der Chemiekonzern Bayer hochgiftiges Kohlenmonoxid von Dormagen nach Uerdingen transportieren wollte. 100 000 Bürger unterschrieben den Protest. Die Landtagsabgeordneten von CDU und SPD, die ihren Wahlkreis an der Pipeline-Trasse haben, stimmten sogar mit ein. Für das Enteignungsgesetz, das den Bau der Pipeline erst möglich gemacht hatte, stimmten allerdings alle Abgeordneten – ohne Ausnahme.

Es bleibt der Protest der Initiativen, den auch die DKP unterstützt.

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"Fracking atomisiert die SPD", UZ vom 13. Mai 2016



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