Am 19. Juni 1891 wurde Helmut Herzfeld geboren. Sein Vater war der sozialistische Schriftsteller Franz Herzfeld. Er studierte an Kunstgewerbeschulen in München und Berlin, bevor er in den Ersten Weltkrieg geschickt werden sollte. Durch Simulieren einer Nervenkrankheit entkam er dem Militär. Ab 1916 nannte er sich aus Protest gegen die im deutschen Kaiserreich verbreitete Hetze gegen England um. John Heartfield war zusammen mit seinem Bruder, dem Verleger Wieland Herzfelde, Gründungsmitglied der KPD. Er verlieh den Büchern fortschrittlicher Schriftsteller mit seinen Einbänden die besondere Note und gestaltete Plakate für die KPD. Seine Fotomontagen in der AIZ gaben dem antifaschistischen Widerstand eine massenwirksame Bildsprache.
„Fotografie plus Dynamit“ war die Ausstellung der Akademie der Künste benannt, die sich im letzten Jahr dem Werk Heartfields widmete. Ergänzend dazu erschien im Hirmer Verlag ein Bildband, der das umfangreiche Schaffen des Fotokünstlers zeigt. Beeindruckend sind die ganzseitigen Abbildungen von Heartfields Arbeiten, die teilweise in ihrem Entstehungsprozess dargestellt werden. Dazu gibt es über 20 Beiträge zu Hintergründen, der Arbeitsweise und private Einblicke in das Leben Heartfields.
Man nimmt den Kuratorinnen in ihrem Einführungsbeitrag ab, dass sie „ästhetisch und politisch“ wirken wollen. Die Verhaftung der Autorinnen und Autoren in der bürgerlichen Ideologie und postmodernem Denken macht ihnen allerdings sowohl den Zugang zu Heartfield als zu aktuellen Auseinandersetzungen unmöglich. Zwar wird in vielen Beiträgen ein wachsender Nationalismus beklagt oder die Rolle der sozialen Medien hinterfragt – gesellschaftliche Zusammenhänge bleiben den Schreibenden verborgen. Die Aktualität der Fotomontage auf dem Umschlagbild „Krieg und Leichen – die letzte Hoffnung der Reichen“ in Zeiten einer Weltwirtschaftskrise und Kriegsdrohungen gegen Russland und China sind kein Thema des Buches. Dabei wird Heartfields Kunst gerade wegen ihres Klassenstandpunkts, der Parteinahme in Inhalt und Form gegen das Alte und für die neue Gesellschaft, Bedeutung für Kunst und Politik behalten.
Trotz dieser Schwächen lohnt sich das Buch allein wegen der vielen Bilder. Und es ist ein tolles Geschenk zum 130. Geburtstag von John Heartfield. Ebenfalls zu empfehlen sind die Online-Angebote der Akademie der Künste: Den Kosmos Heartfield kann man unter johnheartfield.de erleben. Unter heartfield.adk.de findet sich der Katalog des digitalisierten Nachlasses des Künstlers.
Angela Lammert, Rosa von Schulenberg, Anna Schultz (Hg.)
John Heartfield. Photography plus Dynamite.
Hirmer Verlag, München, 2020, 39,90 Euro