„Kämpft!“: Weder Regen noch Müdesein konnten dem Samstagabendkonzert auf dem Festival etwas anhaben

Form vollendet

Von Elron Habbert

The Movement für die Bewegung: Die dänischen Musiker trugen bei ihrem Auftritt Knieschoner und mussten aufpassen, dass die Krawatte nicht in die Saiten hing.

The Movement für die Bewegung: Die dänischen Musiker trugen bei ihrem Auftritt Knieschoner und mussten aufpassen, dass die Krawatte nicht in die Saiten hing.

( Tom Brenner)

Es mag vielleicht Wichtigeres auf einem von jungen Kommunisten organisierten Festival geben als Popmusik. Aber ohne funktioniert es auch nicht. Wer tagsüber Referate über globale Verschiebungen im imperialistischen Jetzt hört, geistig anwesend den „Marxismus in 60 Minuten“ als High-Speed-Einführung verfolgt oder sich beim Hamburger Fünfkampf ausgetobt hat (Impuls-Redebeitrag, kreative Vermummung, Polizeikette durchfließen, Sitzblockade räumen und – was fast dazu führte, dass das Festival frühzeitig und komplett abgebaut wurde – Barrikadenbau), der oder die braucht auch was auf die Ohren, um den müden Geist und den verausgabten Körper wieder in Tanzstimmung zu bringen.

Schon am Freitagabend spielten Iono (Postrock), Steve Next Door (Indie) und Tami (Rap), während viele noch mit Wurfzelt und Isomatte auf dem Weg vom Einlass zum Camp waren. Samstagnachmittag waren dann die Kölner Rapper Microphone Mafia am Start. Und sonntags, als schon der eine oder andere Gedanke an die Heimreise und den wirklichen Abbau am Pfingstmontag aufkam, spielte das Osnabrücker Trio Current State of Claustrophobia psychedelischen Avantgarde-Pop mit Klarinette und Keyboard. Außerdem konnten sich die, die auch tagsüber mal eine Pause von Politik-Inputs brauchten, am Rheinstrand mit Mucke aus der Dose selbst versorgen.

Musikalisches Highlight war das Konzert am Samstagabend, eröffnet vom Kölner Rapper Veedel Kaztro – ja, ausgesprochen: Fidel Castro. Mit „Frank und die Jungs“ und „Hund ohne Leine“ lieferte er natürlich seine Klassiker, aber auch Free gegen die Auswüchse kapitalistischer Ausbeutung, der in der Aufforderung mündete: „Kämpft!“ Zu kämpfen hatte man ab und an auch mit dem wechselhaften Wetter, aber kein Regenschauer war lang genug, um den Platz vor der Open-Air-Bühne leer zu spülen. Danach waren The Movement dran und beim Ska der drei Mods aus Kopenhagen musste man nicht lange suchen, wo im Kölner Jugendpark denn wohl gepogt wurde.

Musikalisch war also für viele Geschmäcker viel geboten. DJ Craft, das Viertel der Berliner Hiphop-Gruppe K. I. Z., das kein Mikro, sondern Plattenteller bedient, brachte dann allerdings die Form der Popmusik noch einmal ausfächernder auf den Punkt. Rap-Song-Klassiker wie „P. I. M. P.“ von 50 Cent oder „Türlich türlich“ wurden erst hegemonial, als man der Lautstärke halber den Abend nach drinnen verlagerte. Vorher lieferte Craft wirklich die komplette Pop-Palette ab, von Evergreens aus den 1990ern bis zur (weil auch für das Kulinarische ausreichend gesorgt ist, nicht prophetischen) Punk-Hymne „Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist“ von den Kassierern. Bis wirklich – und das trifft den Charakter dieses selbstorganisierten, politischen Jugendfestivals ja doch ziemlich – ja wirklich niemand mehr in der anwesenden, arbeitenden und lernenden Jugend sagen konnte, dass da nichts für einen dabei gewesen war.

Wer gelernt, gearbeitet und diskutiert hat, braucht was auf die Ohren – und das Bier war nicht alle.

Wer gelernt, gearbeitet und diskutiert hat, braucht was auf die Ohren – und das Bier war nicht alle.

( Shari Deymann)

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"Form vollendet", UZ vom 14. Juni 2019



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