Ohne Kaufkraft unten bleibt die Inflation Episode

Folgen der Geldschwemme

Zum Thema Inflation blüht in diesen Zeiten der Unsinn noch bunter als sonst. Eine früher beliebte Theorie wird zurzeit allerdings nicht vorgetragen: Dass es nämlich die unverschämten Ansprüche der Lohnarbeiter und Angestellten seien, die für die auf breiter Front steigenden Preise verantwortlich seien. Mit diesen Theorien hatten Kapital, Regierung und Deutsche Bundesbank in der Vergangenheit in Deutschland leider erfolgreich versucht, die Gewerkschaften von angemessenen Lohnforderungen abzuhalten, die den durch die Preissteigerung verursachten Kaufkraftverlust der Beschäftigten hätten eindämmen können. Das Argument fehlt, weil selbst die Lobbyisten des Kapitals nicht umhin können festzustellen, dass die Arbeitnehmer sich in den vergangenen zwanzig Jahren „brav“ verhalten haben. Besonders brav waren sie im schönen Deutschland, wo die Kosten der Arbeitskraft für die noch im Inland produzierende Industrie besonders niedrig wurden und damit für die legendär riesigen Exportüberschüsse des Landes und die enormen Profite seiner Kapitalisten sorgten.

Lucas Zeise1 sw NEU - Folgen der Geldschwemme - Inflation, Kapitalismus - Positionen

Gern verbreitet wird aber aktuell das Argument, die im Zuge der Corona-Rettungsprogramme von den Notenbanken betriebene Geldvermehrung um mehrere Billionen Euro und Dollar habe die im vergangenen Jahr plötzlich aufgetauchte Inflation zwangsläufig zur Folge gehabt. Der Blick darauf, wie die Regierungen der reichsten Länder der Welt mit vollen Händen Geld ausgeben, das sie noch gar nicht haben, und wie ihre Notenbanken die umlaufende Geldmenge aus dem Nichts rasant erhöhen, ruft schon assoziativ die Gedanken an Geldentwertung hervor.

Der Assoziation liegt die einfache Beobachtung zugrunde, dass etwas, was es reichlich und im Überfluss gibt, nicht teuer bezahlt wird oder, anders ausgedrückt, auf dem Warenmarkt ziemlich wertlos ist. Warum sollte das bei der Ware Geld nicht so sein? In der Tat. Der Zusammenhang scheint also eine triviale ökonomische Wahrheit zu sein: Immer dann, wenn – in Relation zum Angebot an realen Produkten – die Menge des Geldes (stark) steigt, kommt es zur Geldentwertung oder dessen anderer Seite, zur Inflation.

Zuweilen hält sich gemäß dieser Theorie die Inflation noch zurück, weil das Überangebot an Geld zunächst gehortet oder, wie die Volkswirte sich feinsinnig ausdrücken, „gespart“ wird. Man sollte aber auch fragen, wer denn das üppig geschöpfte Geld gehortet hat. Waren es die kleinen Rentner, Arbeiter und Hartz-IV-Bezieher? Eher nicht. Das Geldhorten fand vielmehr, wie in unserer Gesellschaft üblich, bei den Reichen statt. Denn bei ihnen kommt es in solchen Mengen an, dass es gehortet werden muss, und zwar in Form von Aktien, Anleihen, Finanzpapieren aller Art und Sachwerten wie Immobilien. Diese Vermögenswerte haben deshalb tatsächlich auch eine lange Inflationsphase bereits hinter sich. Der erneute und rasante Anstieg der Preise für Wertpapiere und Immobilien, seit im März 2020 die jüngste Geldvermehrungsaktion begann, zeigt das deutlich.

Von den Gütern des täglichen Bedarfs sind zunächst Wohnraum (sprich Mieten) und jüngst Energie für Heizung und Transport viel teurer geworden. Beide Preisbewegungen wurden befördert, weil auch die Betuchten dieser Welt, das Kapital und sein Anhang, bei begrenztem Angebot die effektive, mit Geld unterlegte Nachfrage bestimmen.

Mit schwindendem Vertrauen in das von den Notenbanken üppig produzierte Geld hat das herzlich wenig zu tun. Ganz ohne Frage ist die ungeheure Geldflut ein Krisenzeichen des Weltkapitalismus. Die Notenbanker der Welt sind selber dieser Meinung. Aber Inflation auf breiter Front wird nicht das Resultat sein. Dazu ist das viele Geld zu ungleich verteilt. Diejenigen, die trotz Geldschwemme wenig davon haben, werden gezwungen sein zu wählen, ob sie heizen oder essen sollen.

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"Folgen der Geldschwemme", UZ vom 25. Februar 2022



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