In den vergangenen Wochen gaben sich die Lobbyisten der Fleischindustrie im Deutschen Bundestag die Klinke in die Hand. Grund hierfür ist der Gesetzentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium, mit der Intention, Werkverträge und Leiharbeit in der Branche zu verbieten.
Zahlreiche Covid-19-Ausbrüche in mehreren Fleischfabriken im vergangenen Sommer hatten einer breiten Öffentlichkeit die skandalösen und prekären Arbeits- und Unterbringungsbedingungen vieler dort Beschäftigter vor Augen geführt. So hatten sich zum Beispiel im Tönnies-Stammwerk in Rheda-Wiedenbrück im Juni 1.500 Arbeiter mit dem Corona-Virus infiziert. Für die anschließenden Quarantänemaßnahmen musste der Landkreis Gütersloh 9,6 Millionen Euro aufwenden.
Die Politik sah sich nun, nach Jahren des Wegsehens und dem Verweis auf folgenlose Selbstverpflichtungen der Fleischindustrie, endlich dazu gezwungen, gesetzgeberisch zu handeln. In Folge dessen findet sich im Entwurf des Arbeitsschutzkontrollgesetzes die Formulierung: „Kerntätigkeiten in der Fleischwirtschaft wie Schlachten, Zerlegen und Verarbeiten dürfen ab 2021 nicht mehr von betriebsfremden Beschäftigten ausgeführt werden.“ Gegen diese Zukunftsaussichten wehren sich die Fleischbarone mit Händen und Füßen. Denn ein mögliches Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen in der Branche widerspricht dem Prinzip der unternehmerischen Freiheit und kommt aus deren Sicht einem Verstoß gegen das Grundgesetz gleich.
Für den Fall, dass es der Kapitalseite nicht gelingt, das Gesetz auf dem Klageweg zu verhindern, sollen hier zumindest juristische Schlupflöcher geschaffen und Regelungen aufgeweicht werden. Hierzu hat die Fleischindustrie ihre Lobbyisten ausgesandt, um die politischen Entscheidungsträger zu bearbeiten. Deren Strategie zielt vor allem darauf ab, die Leiharbeit aus dem Verbot auszuklammern. So fordert der Chef vom Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen, Werner Stolz, dass der Gesetzentwurf mit einem „qualifizierten Tariferlaubnisvorbehalt für die Sozialpartner“ zu versehen sei. Dies bedeutet nichts anderes, als dass in sogenannten „Ausnahmefällen“ weiterhin Leiharbeiter angeheuert werden können. Beliebte Ausnahmen sind hier die Arbeit an Feiertagen oder das „Abfangen von Auftragsspitzen“. Mit anderen Worten: Leiharbeit wird in der Branche nicht die Ausnahme, sondern bleibt die Regel.
Selbst wenn sich die Fleischindustrie hier nicht durchsetzen sollte, muss sie sich keine Sorgen machen. Schließlich enthält der aktuelle Gesetzentwurf bereits ein scheunentürgroßes Schlupfloch. Für Fleischerhandwerksbetriebe mit bis zu 49 Mitarbeitern gilt das Verbot nicht. Eine Steilvorlage für Tönnies und Co. Sie müssen ihre großen Werke nur in kleine eigenständige Subunternehmen filetieren und die Praxis von Leiharbeit und Werkverträgen kann weiter fortgesetzt werden. Für die zumeist osteuropäischen Beschäftigten bedeutet dies, auch in Zukunft bleiben Lohnbetrug, 14-Stunden-Schichten und erhöhte Unfallgefahr durch enormen Arbeitsdruck an der Tagesordnung. Die Praxis, wer krank wird oder die geforderte Leistung nicht erbringen kann, wird aussortiert, verliert Arbeit und Wohnung, bleibt für die Kolleginnen und Kollegen bittere Realität.
Zumindest scheint sich die häufig katastrophale Unterbringungssituation mit Inkrafttreten des Gesetztes zu verbessern. Laut Entwurf aus dem Arbeitsministerium sind Unternehmer künftig verpflichtet, angemessene Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und deren Qualität auch dann zu garantieren, wenn sie durch Dritte zur Verfügung gestellt werden. Aber auch hier gibt es einen kleinen Haken. Es fehlt ein Mietkostendeckel, mit dem der Betrug bei Tarif- und Mindestlöhnen beendet werden könnte.
Dies alles zeigt, dass ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit ohne Schlupflöcher und Ausnahmen – nicht nur in der Fleischindustrie – überfällig ist, um endlich die untragbaren und prekären Arbeitsbedingungen zu beenden.