Am 5. Juni 1967 begann mit Luftschlägen gegen ägyptische Flugplätze Israels Krieg gegen drei seiner als Bedrohung angesehenen Nachbarstaaten, der sogenannte Sechs-Tage-Krieg, als dessen Ergebnis der junge Staat Israel sein Territorium gleich verdreifachte. Das zuvor von der Propaganda beiderseits in kräftigen Farben gemalte Bedrohungsbild ließ den raschen Sieg Israels umso strahlender erscheinen, und die aus dem Krieg heimkehrenden Soldaten wurden in den Medien des Landes wie Nationalhelden gefeiert. Helden, die sich oft gar nicht als Helden fühlten, wie nun die Regisseurin Mor Loushy in ihrem Dokumentarfilm „Censored Voices“ eindrucksvoll belegt. Ihr Film taucht den als ruhmreich und gerecht gepriesenen Sieg der israelischen Truppen in ein ganz anderes, fahleres Licht. Die zensierten Stimmen, von denen der Filmtitel spricht, gehören nämlich Soldaten und Offizieren der siegreichen Armee, die mit keineswegs euphorischen Gefühlen ihre Fronterlebnisse schildern. Sie belegen, dass auch schon vor der Intifada Siegerarroganz und Kolonialistengebaren Israels Politik gegenüber den Palästinensern bestimmten.
Ihre erschütternden Aussagen wurden 1967 von Amos Oz und Avraham Shapira, beide ebenfalls Kriegsteilnehmer, gleich nach dem Krieg in einem Kibbuz aufgenommen. So entstanden rund 200 Stunden Tonbandmaterial, das Oz und Shapira zunächst nur für den internen Gebrauch verwenden wollten. Es sollte die unmittelbaren, noch von keiner Medienkampagne überformten Eindrücke und Gefühlszustände der Soldaten und Offiziere festhalten. Doch die Aufnahmen waren so brisant, dass die Armee sie sofort konfiszierte und großenteils löschte. Nur für 30 Prozent zudem zensierter Bänder konnte Oz die späte Freigabe erstreiten. Wenn man ihnen heute, fast fünfzig Jahre später lauscht, fragt man sich wehmütig, was solche Töne damals in Israel hätten bewirken können. Hätten sie den Weg in das Israel von heute bremsen oder umkehren können, den Weg in die politische Arroganz, die hartnäckig internationales Recht bricht, indem sie fremdes Territorium besetzt hält und dafür die weltweite Isolierung in Kauf nimmt?
Hatte der militärische Sieg ihr Land von der Bedrohung durch Nachbarn befreit? „Solange wir ein anderes Volk beherrschen, sind wir kein freies Volk“, sagt schon damals einer der Sechs-Tage-Krieger fast seherisch. Ein anderer erwartet eine Zukunft ohne Frieden: „Sind wir jetzt dazu verdammt, zu unserer Verteidigung alle zehn Jahre Dörfer zu bombardieren? Und was macht das mit uns?“ Auch wenn die Details ihrer Erfahrungen kaum einen anderen Schluss zulassen, geht keiner der Interviewten so weit, die Legitimität dieses Krieges generell zu bestreiten. Ihre Aussagen klingen eher wie private Geständnisse, eine Mischung aus Reue und stillem Vorwurf gegen eine Obrigkeit, die sie unter falschen Vorwänden in den Krieg geschickt hat.
Mor Loushy hat die Tonbandaufnahmen zwar mit umfangreichem Archivmaterial ergänzt, doch Töne und Archivbilder sind noch kein Film, der Anblick rotierender Bandspulen ist nicht abendfüllend. Doch mit einem kleinen Geniestreich macht sie aus der Materialnot eine Tugend: Sie konfrontiert die heute noch lebenden Interviewten, die heute um die 70 sind, vor der Kamera mit ihren eigenen Aussagen, verzichtet aber darauf, sie erneut zu befragen. Da sitzen sie nun neben dem Tonbandgerät, stumm und fast reglos, aber mit einer Mimik, die Bände spricht und Ausdruck heftiger Bewältigungsarbeit ist. Wir hören (und sehen!), wie ein ums andere Argument der Kriegspropaganda vor ihren Erinnerungen wie eine Seifenblase zerplatzt, und unser Wissen um die Geschichte danach macht den Blick in ihre Gesichter fast unerträglich. Loushys Film kommt nun endlich in unsere Kinos – wie eine verspätete Flaschenpost aus dem Medienmeer.