Finsterer geht es nicht

Nina Hager zur Bundestagsdebatte über die „Friedliche Revolution“

Rechtzeitig vor dem Jubiläum im Herbst beschäftigte sich der Bundestag in der vorigen Woche mit zwei Anträgen zu den Ereignissen 1989.

Der Tenor ist eindeutig: „SED-Unrechtsregime“, „zweite deutsche Diktatur“. Es gab in der DDR – und zuvor in der Sowjetischen Besatzungszone – nur Unterdrückung und Widerstand. Letzterer war dann im Herbst 1989 „friedlich“ erfolgreich, öffnete letztlich die Grenze, führte zur deutschen „Einheit“. Ein Schlussstrich soll nicht gezogen werden, betonte Gitta Connemann für die CDU/CSU-Fraktion.

Das soll sich nun noch eindringlicher, noch einseitiger in Gedenkstättenkonzepten wie Lehrplänen widerspiegeln. Auch die entsprechenden Forschungsvorhaben sollen fortgeführt, Entschädigungszahlungen fortgesetzt und ausgeweitet werden. CDU, CSU und SPD fordern gar, dem Deutschen Bundestag bis Ende 2019 noch ein „Konzept für ein Denkmal zur Erinnerung und Mahnung an die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft in Deutschland“ vorzulegen.

Neben der „Einheitswippe“, dem Einheits- und Freiheits-Denkmal, das vor dem Nachbau des Hohenzollernschlosses in Berlin-Mitte entstehen soll, heißt das noch mehr Geschichtsklitterung. Finsterer geht es nicht. Und dabei werden teilweise Leute zu „Helden der Freiheit“ stilisiert, die wie Siegmar Faust, der in einem Beitrag der AfD im Bundestagsplenum besonders hervorgehoben wurde, oder Arnold Vaatz entschiedene Gegner nicht nur der DDR waren, sondern auch der sozialistischen Idee. CDU-Mann Vaatz kungelt heute bekanntlich in Sachsen mit der AfD.

Der Redner der Linkspartei, Matthias Höhn, der wie einige wenige andere auf die unmittelbaren Folgen der „Einheit“ aufmerksam machte, kritisierte als einziger die Anträge: „Die DDR-Gesellschaft wird (…) weiterhin auf einzelne Punkte reduziert: Diktatur, Widerstand und Zwang. Alles andere aus der DDR bleibt für Sie ein Niemandsort.“

Doch das Ziel der Anträge ist klar: Wenn man den Leuten einreden will, es gäbe keine Alternative zum heutigen System, zu den heutigen Verhältnissen, dann muss man jene Alternative, die mit ihren Vor- wie Nachteilen real existiert hat, die vergleichbar war mit heutigen Verhältnissen, besonders verteufeln, möglichst völlig delegitimieren, bis auch der Letzte beziehungsweise die Letzte sich nur noch mit Schaudern abwendet. Da muss man dann nicht mehr daran erinnern, dass die DDR ein Friedensstaat war, dass dort Antifaschismus „Staatsräson“ war. Man muss nicht mehr an das Bildungssystem oder das Gesundheitssystem erinnern, an Leistungen in Kunst oder Wissenschaft. An soziale Sicherheit. Oder an Frauenrechte und vieles andere mehr.

Das alles erwähnte übrigens auch Höhn nicht.

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"Finsterer geht es nicht", UZ vom 14. Juni 2019



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