Kindergärten und -krippen in Brandenburg in der Krise

Finanzierung völlig unzureichend

Von Bernd Müller

In Brandenburg stecken die Kindergärten und -krippen in der Krise. Ende Mai demonstrierten rund 850 Eltern und Kindergärtnerinnen in Potsdam, dass die Kindertagesstätten im Land besser finanziert werden müssen. Zuvor wagte einer der Betreiber, die Fröbel Bildung und Erziehung gGmbH, einen einmaligen Schritt und zeigte sich beim brandenburgischen Bildungsministerium selbst an. Die Firma sehe sich „gezwungen Ihnen anzuzeigen, dass wir den vom Gesetzgeber vorgesehenen Personalschlüssel nicht einhalten können“.

Das Land finanziert nur eine maximale Betreuungszeit von 7,5 Stunden pro Tag. Doch die Realität in vielen Kitas sieht anders aus. Dort werden immer längere Betreuungszeiten mit gleichem Personal abgedeckt. Denn berufstätige Eltern sind oft gezwungen, ihre Kinder bis zu zehn Stunden abzugeben. Anderen wurde vom Jugendamt zum Beispiel wegen einer heiklen familiären Situation eine längere Betreuungszeit zugestanden. Die Kitabetreiber stemmen diese dann aus eigener Kraft. Oder der gesetzlich vorgesehene Betreuungsschlüssel wird nicht eingehalten. Seit 2002 werden die Personalzuschüsse vom Land nur nach zwei Stufen bemessen: für eine Betreuung von mehr oder weniger als sechs Stunden pro Tag. Vom Kita-Alltag ist das meilenweit entfernt. Deshalb fordern Kita-Träger und Eltern, eine dritte Finanzierungsstufe einzuführen, über die bis zu zehn Stunden am Tag finanziert werden.

Die Brandenburger Landesregierung gibt sich selbstzufrieden. 46 Millionen Euro will Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) jährlich für ein beitragsfreies Kitajahr ausgeben. Dieses Vorhaben entlastet, wie immer beim Gießkannenprinzip, vor allem einkommensstarke Haushalte. Die Qualität der Einrichtungen wird dagegen nicht verbessert. (UZ berichtete am 21. 07. 2017) Schon vor drei Jahren war das Thema im Landtag. Damals antwortete die Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU-Fraktion: „Die Befreiung von Beiträgen für Kinder im letzten Kindergartenjahr wäre weder unter fachlichen Aspekten noch unter dem Gesichtspunkt des Familienleistungsausgleichs ein Schritt in die fachpolitisch richtige Richtung.“ Ernst signalisierte jetzt im Parlament zwar, dass sie bereit sei, auf die Forderung der Kita-Träger einzugehen. In dieser Legislatur will sie eine Lösung für die bessere Finanzierung längerer Betreuungszeiten suchen. Details nannte sie nicht. Sie wolle in jedem Fall eine Umfrage bei den Jugendämtern abwarten, welche Betreuungszeiten in den Regionen benötigt werden. Denkbar sei eine Lösung, die den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort Rechnung trage, hatte SPD-Fraktionschef Mike Bischoff im Vorfeld einer Landtagsabstimmung vor Journalisten erklärt. Das würde bedeuten, dass nicht alle Kitas automatisch Geld für mehr Erzieher bekommen, sondern nur solche, die Kinder bis zu zehn Stunden täglich betreuen. Den mittlerweile siebten Antrag von Grünen und CDU, generell wieder eine dritte Betreuungsstufe einzuführen, lehnte der Landtag mit der Mehrheit von Rot-Rot ab.

Die Diskussion, ob am Solidarprinzip bei der Finanzierung der Kitas festgehalten werden oder ob eine generelle Gebührenfreiheit herrschen soll, wird durch die kürzlich veröffentlichte Bertelsmann-Studie „Elternzoom 2018“ befeuert. Sie zeigt, dass es bei der Staffelung der Gebühren eine Schieflage gibt. Vielerorts wird diese zwar nach der Höhe des Einkommens vorgenommen. Dennoch werden einkommensschwache Familien übermäßig belastet. Diese wenden einen nahezu doppelt so hohen Anteil ihres Verdienstes für die Kita auf wie finanziell besser gestellte Familien. Weil die Staffelung der Elternbeiträge nicht für einen gerechten Lastenausgleich ausreicht, spricht sich die Bertelsmann-Stiftung gegen eine allgemeine Beitragsfreiheit aus. Diese soll es nur für armutsgefährdete Familien geben, ob ein weiterer Spießrutenlauf für die Eltern dann bevorstünde? Für alle anderen sollen die Beiträge bundesweit einheitlich nach der Einkommenshöhe berechnet werden, also auch ohne Berücksichtigung, wie die einzelnen Kitas arbeiten bzw. was sie überhaupt leisten können. Ein typischer Vorschlag der Stiftung, der aber in Berlin Gehör finden wird.

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"Finanzierung völlig unzureichend", UZ vom 15. Juni 2018



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