Die Erforschung der Hirnstruktur der Heuschrecke an der Philipps-Universität in Marburg oder die des Spinnenetzes am Lehrstuhl für Biomaterialien der Universität Bayreuth klingt erst einmal unverdächtig. Über Sinn und Unsinn von Tierversuchen ließe sich streiten, aber ansonsten weckt das Assoziationen von Wissenschaftlern in weißen Kitteln und Reagenzgläsern in sterilen Labors. Diese Vorstellung ist sicher nicht völlig falsch, nur der Zweck ist nicht ganz so unverdächtig, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat.
Das Projekt „Öko-Bombe“ an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) des Professors Thomas Klapötke lässt schon eher ahnen, welche Interessen hinter den genannten Forschungsprojekten stehen. Alle genannten sind Projekte der militärischen Forschung, durchgeführt an bundesdeutschen Universitäten, finanziert vom Pentagon. Vom Hirn der Heuschrecke erwarten die Forscher Erkenntnisse, die vielleicht der US-Air-Force nützlich sein könnten. Und die Spinnennetze dienen als Vorlage zur Entwicklung von Militär-Unterwäsche, die verhindern soll, dass sich Splitter in den Körper bohren. Zwar gibt es solche schon, aber aus unbequemen Materialien. Da soll die Spinne, bzw. ihr Netz, jetzt Abhilfe schaffen.
Die Heuschrecken-Forschung lässt sich das Pentagon 107 000 US-Dollar kosten, die an die Uni Bayreuth bezahlt werden. Die Spinne ist der US-Navy allerdings nur 70 000 US-Dollar wert, die an die Philipps-Universität Marburg fließen. Die Öko-Bombe wird mit 474891 US-Dollar am prominentesten finanziert.
Der NDR und die Süddeutsche Zeitung deckten Ende 2013 auf, dass das US-Verteidigungsministerium etliche Forschungsprojekte an bundesdeutschen Unis finanziert. Seit dem Jahr 2000 haben mindestens 22 deutsche Hochschulen und Forschungsinstitute Geld aus dem Haushalt des Pentagon erhalten. Die Summe liegt bei insgesamt mehr als zehn Millionen US-Dollar. Die Institute bestätigten für das Pentagon zu forschen.
Doch nicht nur das Pentagon, auch das deutsche Verteidigungsministerium vergibt Forschungsmittel an Universitäten. So erhielten z. B. zehn Hochschulen und elf außeruniversitäre Institute in Niedersachsen zwischen 2000 und 2013 zirka 31,3 Millionen Euro an so genannten Drittmitteln.
Das alles soll allerdings völlig transparent vonstatten gehen. Und wenn es doch nicht so transparent werden soll, dann bekommt es das Label „double use“ (doppelte Nutzung) verpasst. So auch das Heuschrecken-Projekt in Marburg. Schließlich können die Erkenntnisse ja möglicherweise auch in der zivilen Luftfahrt angewandt werden.
Eine Große Anfrage des Abgeordneten der Partei „Die Linke“ in der Hamburgischen Bürgerschaft, Martin Dolzer, ergab, dass an der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) ein Forschungsprojekt in Kooperation mit dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr und der Wehrtechnischen Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen, Maritime Technologie und Forschung stattfindet sowie mit dem Wehrwissenschaftlichen Institut für Schutztechnologien zusammengearbeitet wird.
Ebenfalls betreibt die TUHH gemeinsam mit Thyssen/Krupp Marine Systems (TKMS) und Rheinmetall AG ein Forschungsprojekt im Umfang von 2 242 000 Euro. „Rheinmetall ist ein Unternehmen, das zum Beispiel den Leopard 2 produziert – der auch in die Türkei, nach Saudi-Arabien und nach Indonesien exportiert wurde“, kommentierte Dolzer das Ergebnis seiner Anfrage kürzlich in einer Rede in der Hamburgischen Bürgerschaft.
Aus einer Anfrage der Grünen geht hervor, dass an der TUHH seit 2013 auch an der Perfektionierung von Marineschiffen und U-Booten geforscht wird. „An der Uni Hamburg wird darüber hinaus mit der Bundeswehr zusammengearbeitet“, so Dolzer. „Es besteht eine Kooperation im Studiengang ‚Master of Peace and Security Studies‘, der von der TUHH und dem Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) gemeinsam betrieben wird. Dort sind an der Lehre beteiligt: ein abgestellter Offizier der Bundeswehr, die Führungsakademie der Bundeswehr und die Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr.“
Seit langem wird eine Zivilklausel gefordert, also eine Selbstverpflichtung von wissenschaftlichen Einrichtungen wie Universitäten, ausschließlich für zivile Zwecke zu forschen. Dass eine Zivilklausel allerdings auch problemlos unterlaufen werden kann, belegt das Beispiel der Exzellenz-Universität Bremen. Dort wurde z. B. im Bereich „Raumfahrttechnik“ eine so genannte Stiftungsprofessur eingerichtet, die aus Drittmitteln finanziert wird. Konkret durch die Firma Orbitale Hochtechnologie Bremen (OHB Technology), einem der größten Rüstungs-Unternehmen Bremens. Dort wird u. a. Satelliten-Überwachungs-Technik für militärische Zwecke hergestellt. Angeblich beträgt der Anteil von Rüstungsprojekten der Firma weniger als 5 Prozent, so dass die Stiftungsprofessur und die Zivilklausel kein Widerspruch seien.