Die Lage ist nun wirklich ernst. BMW, eine der schönsten Perlen des deutschen Kapitals, hat 2018 nach acht Jahren in Folge einen Rückgang des Gewinns (vor Steuern) hinnehmen müssen. Er lag mit 9,8 Mrd. Euro um 8 Prozent niedriger als im Jahr davor. Wie ernst die Lage ist, erkennt man daran, dass auch die Dividende gekürzt wird. Statt 4 Euro je Aktie werden nur 3,50 Euro ausgeschüttet. Die beiden Großaktionäre, die Geschwister Quandt, Stefan und Susanne Klatten, werden – laut sei es geklagt – weniger als 1 Mrd. Euro erhalten. Für das Geschäftsjahr 2017 waren ihnen, die zusammen 46,7 Prozent am schönen Autounternehmen halten, noch 1,12 Mrd. Euro ausgezahlt worden.
Noch ist die Lage nicht hoffnungslos. Deutschen Großkapitalisten und ihren Spitzenmanagern fallen bestimmt Tricks ein, wie das Geschäft wieder in Schwung und superrentabel werden kann. So hat BMW die Zulieferfirmen, etwa Bosch, Schaeffler und ZF, mit einigem Nachdruck gebeten, bei den Preisen der armen Autofirma etwas entgegenzukommen, auf dass sich die Gewinnmarge wieder ausweite. Wolfgang Porsche, der Chef des durch einen Handstreich an die Mehrheit bei VW gekommenen Piëch-Porsche-Clans, knöpft sich die Arbeiter bei VW und Audi vor und jammert über verkrustete Strukturen – er will die Löhne kürzen lassen und dazu keine Widerworte vom Betriebsrat oder gar der Gewerkschaft hören. Aber wird die moralische Massage reichen?
Auch einer anderen Vorzeigebranche in Deutschland, der Chemie, geht es nicht mehr durchweg gut. Der Gewinn bei BASF (der Zusatz „The chemical company“ soll dezent signalisieren, dass sie weltweit die größte Chemiefirma ist) ging 2018 auch zurück – von 6,9 auf 5,3 Mrd. Euro. Bayer wiederum ist kein Chemiekonzern mehr, sondern hat sich auf „life science“ (Lebenswissenschaft oder auch das Geschäft mit dem Tod für Unkraut und Insekten) spezialisiert und im Zuge dessen die US-Firma Monsanto (mit dem Superprodukt Glyphosat) erworben. Das war teuer und machte auch erhebliche Rückstellungen erforderlich. So ist der Gewinn der Leverkusener Firma 2018 um drei Viertel auf 1,7 Mrd. Euro eingebrochen. Der frühere Chef der Fondstochter DWS der Deutschen Bank, Christian Strenger, macht nun gegen den Bayer-Vorstand als „Wertvernichter“ auf der Hauptversammlung mobil. Allerorten begründete Unzufriedenheit der herrschenden Klasse mit der eigenen Performance und der ihrer Sachwalter.
Erstaunlich ist ja weniger, dass die fette Zeit für das deutsche Industriekapital nun zu Ende geht, sondern vielmehr, dass sie überhaupt fett war und dass sie acht (oder neun) Jahre anhielt. Gründe dafür: die hinter der Produktivitätssteigerung zurückbleibende Lohnentwicklung im Inland; der für deutsche Produkte völlig offene Binnenmarkt der Eurozone; der niedrig bewertete Euro, der in Regionen außerhalb der Eurozone deutsche Produkte billig machte; die expansive Wirtschaftspolitik in den USA, Ostasien und Südamerika. Der letzte Faktor hört gerade auf, wirksam zu sein. Die Weltkonjunktur schwächt sich ab, sagen die Konjunkturforscher. Also läuft, ganz abgesehen von den hausgemachten Problemen der deutschen Großkonzerne, der verrückte Exportboom langsam aus.
Vergessen wir die Banken nicht. Sie haben überlebt, immerhin. Aber weder konnten sie an die sagenhafte Profitabilität der Zeit vor der Finanzkrise anknüpfen, noch der heutigen Profitabilität des deutschen Industriekapitals Ähnliches erreichen. Die Deutsche Bank hatte zusätzlich das Pech, dass sie aus dem extrem profitablen US-Kapitalmarkt gedrängt wurde. In Deutschland ist für sie neben den Sparkassen, Genossenschaftsbanken und der Commerzbank kein Platz und Bedarf. Deshalb soll und will sie unter der Obhut der Regierung mit der Commerzbank fusionieren. Erster Zweck der Übung: Das Überleben beider soll im kommenden Abschwung (auf Kosten der Beschäftigten) erleichtert werden. Zweiter Zweck: Im EU-Binnenmarkt soll eine deutsche Bank hochgezüchtet werden, die der Konkurrenz aus Frankreich, Italien, Spanien und den Niederlanden zumindest ebenbürtig ist. Das deutsche Monopolkapital muss ja wohl auch im Finanzsektor EU-weit das größte sein.