Bund und Länder planen Grundgesetzänderung – Private sollen an Autobahnen verdienen

Fernstraßenräuberei

Von Lucas Zeise

Bund und Länder haben vereinbart, den Bau und Erhalt von Fernstraßen den Renditeinteressen privater Vermögensverwalter zu öffnen. Dazu soll eigens das Grundgesetz geändert werden. Der Deal kam am vergangenen Freitag zustande, als die Länderregierungen und die Bundesregierung eine grundsätzliche Einigung über den künftigen Finanzausgleich erzielten. Diese sieht anstelle des bisherigen Finanzausgleichs zwischen den Ländern eine Mehrzahlung des Bundes an die Länder von zunächst 9,5 Mrd. Euro jährlich vor. Das ist deutlich mehr, als von Finanzminister Wolfgang Schäuble angeboten. Für dieses finanzielle Zugeständnis erhielt Schäuble die Zusicherung der Länder, die ihnen grundgesetzlich zustehende Hoheit über den Straßenbau an den Bund abzutreten.

Im Grundgesetz soll mit der hochtrabenden Formulierung „das unveräußerliche Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen“ festgelegt werden, um es sogleich durch eine „unter staatlicher Regelung stehende privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft“ privaten Gewinninteressen zugänglich zu machen. Dezent heißt es in Berlin, dies würde die Beteiligung privater Investoren wie beispielsweise Versicherungen erlauben. Der Plan ist seit Sommer 2014 bekannt. Damals setzten Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Finanzminister Wolfgang Schäuble eine Kommission ein, um Vorschläge zu machen, wie Kapitalisten am besten an der staatlichen Infrastruktur zu beteiligen seien, damit sie daran verdienen können. Die Kommission, in der Vorstände verschiedener Unternehmen der Finanzbranche vertreten waren, legte nach einjähriger Arbeit den Vorschlag einer „Bundesfernstraßengesellschaft“ vor, die im Wesentlichen nach dem zu trauriger Berühmtheit gelangten Modell der PPP (Public Private Partnerships) funktioniert. Dabei wird die Finanzierung der Projekte zunächst den Privaten überlassen, damit sie im Laufe der Nutzung der Projekte umso fürstlicher entlohnt werden. Immer sind dabei die Kosten für die öffentlichen Träger höher, als wenn sie die Projekte selber finanzieren. Zugleich entstehen Schattenhaushalte, die der öffentlichen Kontrolle nicht unterliegen.

Die 2009 in einem Coup der damaligen Großen Koalition ins Grundgesetz platzierte „Schuldenbremse“ dient regelmäßig als Rechtfertigung für diese Bereicherungsprojekte für Fonds, Versicherungen und Banken. Wenn Länder oder Gemeinden Projekte auf diese Weise vorantreiben, zählen ihre damit verbundenen Zahlungsverpflichtungen nicht als Schulden. Die Schuldenbremse postuliert zudem die Illusion, Kredit sei für öffentliche Haushalte schwer zu beschaffen und teuer. Das ist mitnichten der Fall. Der Bund hat die niedrigsten Zinskosten in ganz Europa. Wenn er den Bau und den Erhalt der Autobahnen und Fernstraßen selbst finanziert, ist das in jedem Fall billiger, als wenn er das privaten Banken und Versicherungen überlässt. Der Bundesrechnungshof hat in einem Gutachten genau diesen Punkt kritisiert. Eine andere Variante ist die Abwälzung der Mehrkosten direkt auf die Bürger. Deshalb treibt Dobrindt auch mit großem Eifer die Maut für PKW voran. Durch das Recht auf Mauteinnahmen können sich die privaten Geldgeber dann ihre höhere Rendite einfach zurückholen.

Die Bundesregierung hat das Projekt hartnäckig und gegen stärker werdenden öffentlichen Protest vorangetrieben. Ver.di zum Beispiel kritisiert außer den oben genannten Punkten, dass mit der geplanten Privatisierung die Straßenbauverwaltungen der Länder abgewickelt und ihre Belegschaft arbeitslos zu werden droht. Dagegen behauptet die Regierungskoalition, es gehe bei dem Vorhaben um „eine bessere Steuerung bei den Investitionen des Bundes, aber „nicht um das Verscherbeln der Bundesstraßen an private Investoren“, wie der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Sören Bartol, formuliert. Formal hat er Recht. Die Bundesfernstraßengesellschaft soll Bundeseigentum bleiben. Die Privaten beteiligen sich mit Krediten oder Durchführungsverträgen, welche für sie den Vorteil haben, ihnen eine langfristige Rendite zu garantieren.

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"Fernstraßenräuberei", UZ vom 21. Oktober 2016



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