Eine Studie soll Hintergründe aufklären

„Femizid“: Tödliche Gewalt gegen Frauen

Weltweit werden Frauen Opfer von Gewalt. Nicht wenige werden in der Partnerschaft, im Namen der „Ehre der Familie“, in kriegerischen Auseinandersetzungen, im Krieg ermordet. Sie werden umgebracht, weil sie Frauen sind. Aus Wut, Hass, aus Verachtung, aus „Lust“ am Töten von Frauen. Man nennt das „Femizid“. Doch so etwas gibt es nicht nur in „fernen“ Ländern. Allein im Jahr 2020 wurden im ach so zivilisierten Deutschland 139 Frauen von ihren Männer, Freunden oder Exfreunden getötet. Eine hohe Zahl. Ein Armutszeichen für ein Land, das oft andere in Fragen der Menschenrechte belehrt. Bislang werden „Femizide“ hierzulande öffentlich kaum zur Kenntnis genommen – international und auch durch die UNO aber durchaus. Einen eigenen Straftatbestand gibt es hier dafür nicht.

Solche Morde sollten künftig nicht mehr als „Familientragödie“ verharmlost werden oder als „Beziehungstat“. So die Psychologin Prof. Deborah Hellmann von der Hochschule für Polizei NRW: „Das ist Mord oder Totschlag und der richtet sich systematisch gegen Frauen.“ Jetzt soll eine umfassende wissenschaftliche Studie „Femizide in Deutschland – Eine empirisch-kriminologische Untersuchung zur Tötung an Frauen“ zur Aufklärung über Ursachen solcher Verbrechen und den Umgang der Justiz mit diesen Morden beitragen. Die Beteiligten machen darauf aufmerksam, dass bislang umfassende Daten fehlen. Bisher hätten sich Untersuchungen auf „Ehrenmorde“ oder Gewalt in der Partnerschaft beschränkt. Nun werden unter anderem auch das Prostitutions-, Zuhälter- und Rockermilieu untersucht. Wenig wisse man zudem über die Tötung von Frauen durch Freunde, Arbeitskollegen oder flüchtige Bekannte. An der Studie, die bis 2025 laufen soll und durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert wird, sind das Institut für Kriminologie der Universität Tübingen (IfK) und das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) beteiligt. Zur Auswertung sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Rechtswissenschaft, Soziologie und Kulturwissenschaft hinzugezogen werden.

Ziel der Studie ist es, Femizide in Deutschland grundlegend zu untersuchen, auch die wissenschaftliche Auffassung von „Femizid“ theoretisch genauer zu begründen und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Die eindeutigste Form des Femizids sind, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Tötungen aus allgemeinem Frauenhass. Genannt wird in diesem Zusammenhang die sogenannte „Incel-Bewegung“ mit Gewaltfantasien und Hass gegen Frauen. Ihre Mitglieder rechtfertigten ihre Frauenfeindlichkeit mit sexueller Frustration.

Bei den Untersuchungen sollen auch Gutachten und Zeugnisse von Vertreterinnen und Vertretern von Opfer- und Frauenverbänden sowie aus Polizei und Justiz, die mit Aufklärung beziehungsweise juristischen Verfolgung entsprechender Straftaten befasst sind, genutzt werden. Untersucht werden sollen Akten von Strafverfahren aller polizeilich registrierten Tötungsdelikte an Frauen eines Jahres in vier Bundesländern (Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz) „und unterschiedliche Tatkonstellationen, Hintergründe und Typen geschlechtsmotivierter Tötungen herausgearbeitet werden“. Ausgewertet werden Akten aus dem Jahr 2017, in dem es in diesen Bundesländern 352 Tötungen von Frauen gab.

Wie viele Femizide waren darunter? Welche Rolle spielen die soziale und finanzielle Situation, welche Alkohol und andere Drogen bei den Tötungsdelikten? Wie ist die Justiz mit den Fällen umgegangen? Werden geschlechtsbezogene Beweggründe der Täter in die strafrechtliche Bewertung mit einbezogen? Ist es nicht endlich Zeit, einen entsprechenden Straftatbestand einzuführen? Und hinzuzufügen wäre: Aber auch Zeit, Schlussfolgerungen im Zusammenhang mit der Verantwortung der Gesellschaft zu ziehen?

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"„Femizid“: Tödliche Gewalt gegen Frauen", UZ vom 4. März 2022



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