Lieber Genosse Fidel,
die Deutsche Kommunistische Partei sendet Dir die herzlichsten Grüße und besten Wünsche zur Vollendung Deines 90. Lebensjahres!
Schon als junger Mann hast Du Dich in den Dienst Deines kubanischen Volkes gestellt, indem Du an der Spitze der Bewegung gegen den Diktator Batista gestanden hast. Dabei hast Du revolutionäre Weitsicht und Geduld bewiesen, und wie Du in Deiner Verteidigungsrede nach dem Sturm auf die Moncada-Kaserne vorhergesagt hast, hat Dich die Geschichte freigesprochen. Der Widerstand gegen die Diktatur war berechtigt und hat dem Volk Kubas die Freiheit und Souveränität gegeben, die ihm bürgerliche und Marionettenregierungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht geben konnten.
Nach dem Sieg der Revolution standen große Umwälzungen auf der Tagesordnung. Die Entschlossenheit, mit der Du diese Revolution vorangetrieben hast, hat Dir den Hass Deiner Gegner, vor allem in den USA, aber auch in den kapitalistischen Staaten Europas, eingebracht. Du hast ihn produktiv in noch mehr revolutionäre Energie umgesetzt!
Immer wieder hast Du die Aufmerksamkeit auf die Dramatik der drohenden Zerstörung der natürlichen Existenzgrundlagen gerichtet, und damit demonstriert, dass der Kampf um einen sozialistischen Entwicklungsweg und die Klasseninteressen des Proletariats aufs engste mit dem Kampf um das Überleben der Gattung Mensch verbunden ist.
Kuba hat eine internationale Solidarität entwickelt, wie es in der Weltgeschichte nicht häufig vorkam. Kuba war der entscheidende ausländische Faktor, dass das südliche Afrika von Kolonialismus und Apartheid befreit wurde, aber auch in anderen Regionen der Welt war Dein Land initiativ. Heute sind Lehrerinnen und Lehrer, Ärztinnen und Ärzte in aller Welt unterwegs um die kapitalistischen Verbrechen an der Sozialpolitik der Staaten zu beheben. Kuba bleibt ein Leuchtturm des Internationalismus!
In deinen Arbeiten und Ausführungen hast du immer wieder wichtige Beiträge für den Kampf der Kommunistischen Parteien um die Wahrung und Wiederherstellung ihrer marxistisch-leninistischen Identität geleistet. Nicht zuletzt mit Deiner Rede zum 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, in der Du erklärtest, dass 27 Millionen Sowjetbürger im Großen Vaterländischen Krieg auch für das Recht gestorben sind „Marxist-Leninist zu sein, Kommunist zu sein und die Vorgeschichte zu verlassen“.
Die DKP pflegt enge Beziehungen zur Kommunistischen Partei Kubas, die 1965 neu gegründet worden ist. In den Neunzigerjahren sind in Kooperation zwischen PCC und DKP in der Provinz Matanzas mehrere Arztpraxen und Gesundheitszentren entstanden. Damit wollten wir dem kubanischen Volk ein wenig von seinem Internationalismus zurückgeben und es gleichzeitig in den schweren Jahren der Sonderperiode unterstützen. Die DKP bleibt an der Seite der Kubanischen Revolution!
Nach Deiner Erkrankung vor zehn Jahren hast Du die Ämter niedergelegt, aber Dich nicht aus der Politik zurückgezogen. Revolutionäre gehen nicht in den Ruhestand …
Für Deine feste Entschlossenheit, für Dein revolutionäres Beispiel, für Deine klugen Reden vor nationalen und internationalen Gremien, für dieses Leben im Dienst des Sozialismus danken wir Dir.
Mit kommunistischen, internationalistischen und immer solidarischen Grüßen
Patrik Köbele (Vorsitzender der DKP)
Wera Richter (Stellvertretende Vorsitzende der DKP)
Hans-Peter Brenner (Stellvertretender Vorsitzender der DKP)
Das Werk aller
Wie lässt sich eine kommunistische Persönlichkeit von ihrer Umgebung trennen? Gar nicht, wenn sie sie so stark beeinflusst hat, wie es bei Fidel Castro und dem revolutionären Kuba der Fall ist.
Als vor genau zehn Jahren der gesundheitlich bedingte Rückzug Fidels von allen Ämtern in Staat und Partei bekannt wurde, ergab sich die Frage, wie sich Kubas Parteiführung angesichts dieser Herausforderung aufstellen würde. Der Sorge um Fidel selbst, verbunden mit den anstehenden Feiern zu seinem runden Geburtstag, wurde mit einem trotzigen „Fidel: 80 más“ (Fidel: noch einmal 80 Jahre) auf vielen Plakaten an den Straßen der Hauptstadt Ausdruck verliehen. Der Revolutionsführer genießt – sogar bis in Kreise der nicht terroristischen, nicht auslandsfinanzierten Opposition – eine hohe Anerkennung in der kubanischen Gesellschaft, wenn auch die kapitalistischen Medien sich allein der Minderheit im Land bedienen, wenn es um den Beweis des Gegenteils geht.
Die Übergabe der Ämter an seinen Bruder Raúl Castro, später durch Wahlen in Staat und Partei bestätigt, zeigte, dass die Kontinuität der Revolution gewahrt blieb. Nuancenhafte Änderungen des Kurses gingen jeweils auf das (ebenfalls in Kontinuität fortgeführte) Prinzip zurück, alles dann zu ändern, wenn es der Moment erfordert oder ermöglicht – und sind keineswegs Zeichen für Differenzen zwischen den Brüdern. Daher ist auch das damals in Mode gekommene Ausmachen von „Fidelistas“ und „Raulistas“ eine interessegeleitete äußere Wahrnehmung, die von „amerika21“ bis „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ inzwischen weitgehend in der Versenkung verschwunden ist.
Wie lässt sich eine kommunistische Persönlichkeit aus ihrer Umgebung herausheben? Am besten nicht, wenn sie tatsächlich eine ist. Fidel Castro hat nie Wert auf einen Kult um seine Person gelegt, und deshalb sind Geburtstagsglückwünsche für den Menschen und anlässlich dessen für seine Leistung angemessen, aber Verehrung nicht. Kein Gebäude, kein Platz auf Kuba ist zu Lebzeiten nach ihm benannt.
Es sei denn, die gleiche Verehrung gälte in gleicher Weise auch den Revolutionärinnen und Revolutionären, die sich – zeitlich parallel zur Kubanischen Revolution – ebenfalls in Theorie und vor allem Praxis für die Überwindung des Kapitalismus eingesetzt haben und dafür in so vielen Ländern der Erde ihr Leben lassen mussten. Ob in Vietnam, Indonesien, Kolumbien, Griechenland, dem Kongo, Nicaragua, Angola, Laos, El Salvador, Burkina Faso, Portugal, der Türkei, Palästina, Spanien, den Philippinen, Guatemala oder wo auch immer.
Sie hatten nicht das Glück zu überleben. Womöglich waren ein paar von ihnen von Intellekt und Charisma auch dazu bestimmt gewesen, die Unabhängigkeit ihres Landes und dessen soziale Umwälzung zu erreichen und zu verteidigen. Alle, die sich auf die eine oder andere Art ehrlich und unbedingt für den Sozialismus als Prinzip und als Praxis für die gesellschaftliche Ordnung gegen die anarchische Gesellschaftsformation des Kapitalismus einsetzen, verdienen die gleiche Anerkennung, denn sie tun es unter unterschiedlichen Bedingungen auch – mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen.
Fidel weiß das – nichts geht von allein und nichts geht allein. Wer die Zukunft erkämpfen will, braucht Genossinnen und Genossen, und das Werkzeug für die sozialistische Revolution ist die Kommunistische Partei.
Letzteres galt auf Kuba nur bedingt. Fidel Castro ist fast auf den Tag genau ein Jahr jünger als der Vorläufer der Partei, der er so lange vorstand. Am 16. August 1925 hatten Carlos Baliño und Julio Antonio Mella die erste Kommunistische Partei Kubas in Havannas Stadtteil Vedado gegründet. „Obwohl die Partei fast alle Jahre ihrer Existenz in der Illegalität verbringen musste und fürchterlichen Verleumdungen der bürgerlichen Presse ausgesetzt war, die den neokolonialen Status Kubas verteidigte, half sie dabei, die Ideen des wissenschaftlichen Sozialismus zu verbreiten, ermutigte zur Schaffung klassischer Gewerkschaften und ermöglichte es, das Volk für den Kampf zur nationalen Befreiung zu organisieren“, sagte Jorge Risquet, hochdekorierter kubanischer Internationalist, bei der Gedenkveranstaltung am 90. Gründungstag der KP Kubas, wenige Wochen vor seinem Tod.
Die KP, die geehrt wurde, änderte 1944 ihren Namen in Sozialistische Volkspartei (PSP) um; angesichts der Nähe zur KP der USA wenig verwunderlich, dass sie den Ereignissen, die die jungen Revolutionäre um Fidel Castro 1953 lostraten, mindestens zurückhaltend gegenüberstand. Im Oktober 1965 wurde dann die jetzige KP Kubas als Zusammenschluss dreier Organisationen, darunter die PSP, über den Umweg der „Vereinten Partei der sozialistischen Revolution“ (PURS) neu gegründet. Fidel Castro wurde ihr Erster Sekretär, ab 1976 auch Präsident der Republik. Die KP Kubas initiierte in den letzten Jahren manche Neuerungen in der Gesellschaft, immer mit dem Mut zur Selbstkritik und dem Geist der Offenheit, den auch ihr historischer Vorsitzender besitzt.
Nun wird er neunzig Jahre alt, trotz unzähliger Attentate auf sein Leben und das auch von ihm vollbrachte Werk: Die Verteidigung der Revolution gegen alle Versuche das Land wieder in die Abhängigkeit vom Imperialismus zu treiben. Nicht viele Menschen können von sich sagen, dass ihrem Tod so viel Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde – von den Feinden aktiv, von den Freunden in Sorge. Die bange Frage „Was passiert, wenn Fidel stirbt?“ durchzog nach dem Zerfall der UdSSR fünfzehn Jahre lang die Solidaritätsveranstaltungen, als sei die Revolution das Werk eines einzelnen Mannes – bis zum Übergang vor zehn Jahren. Da aber Fidel Castro eine kommunistische Persönlichkeit ist, baut er nicht nur auf seine eigene Person sondern auf die, die am selben Werk arbeiten: die ehrlichen Mitglieder der PCC und Zehntausende andere Revolutionäre. Darunter auch auf die in der Welt, die mit seiner Säkularisierung leben können.
Günter Pohl
Die Solidarität und der Internationalismus Fidel Castros werden sein Leben überdauern
Am 13. August vollendet Fidel Castro sein neunzigstes Lebensjahr. Nur wenige Menschen auf dem Planeten können auf ein annähernd bewegtes Leben zurückblicken und haben dabei gleichzeitig so viele Attentate auf ihr Leben überstehen müssen.
Die Kubanische Revolution und Fidel Castro sind untrennbar miteinander verbunden, auch wenn es zu ihrer Errichtung und Festigung eines ganzen Volkes und nicht nur einer einzigen Persönlichkeit bedurfte – so ungewöhnlich stark diese auch sein mag.
Fidel Castro hat die Kubanische Revolution immer als Produkt des Kampfes mehrerer Generationen von Kubanerinnen und Kubanern gesehen. Dazu zählen die Widerstandsaktionen gegen die spanische Kolonisation im 19. Jahrhundert, die, angeführt von Manuel de Céspedes, zum ersten Unabhängigkeitskrieg führten. Der zweite Unabhängigkeitskrieg, inspiriert besonders von den Ideen von José Martí, brachte die Ablösung der Herrschaft der Spanischen Krone, führte aber zur Übernahme der faktischen Macht durch die Vereinigten Staaten.
Wirkliche Souveränität erlangte Kuba erst mit dem Triumph der Revolution 1959, die gleichermaßen internationales Agieren auf Augenmaß mit den führenden Industriestaaten brachte, wie auch eine gesellschaftliche Gleichheit der Kubanerinnen und Kubaner wie es sie bis heute in Lateinamerika nicht gibt. Die Revolution war mit dem Sturm auf die Moncada-Kaserne am 26. Juli 1953 eingeläutet worden – unter Führung des jungen Fidel Castro.
Immer hat Fidel Castro mit seinem eigenen Internationalismus den Internationalismus seines Volkes inspiriert. Kuba hat unter großen Opfern wesentlich dazu beigetragen, dass das südliche Afrika frei von Kolonie und Apartheid wurde. Bis heute wird Fidel Castro, stellvertretend für das kubanische Volk, dafür in ganz Afrika verehrt.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat Fidel als Staatspräsident Kuba durch schwere Jahre geführt. Die damals ausgerufene Sonderperiode ist heute weitgehend überwunden, und Kuba ist immer noch ein sozialistisches Land. Veränderungen und Korrekturen am sozialistischen Gesellschaftssystem sind immer dann durchgeführt worden, wenn sie nötig und wenn sie möglich waren. Heute ist Kuba Beispiel dafür, dass jenseits des ausbeuterischen und parasitären Kapitalismus, der immer auch auf die Ausgrenzung von Minderheiten setzt und dem das Führen von Kriegen immanent ist, eine andere Art von gesellschaftlichem Zusammenleben möglich ist. Die Menschheit hat eine andere Wirtschafts- und Gesellschaftsform auch nötig, wenn sie ihr Überleben organisieren will!
Dieses Beispiel hat Fidel Castro den Hass der imperialistischen Mächte eingetragen – und dieses Beispiel hat 1974 zur Gründung der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba und zur Solidarität mit Kuba auch in den deutschen Staaten geführt.
Wir wissen, dass die Solidarität stärker ist als der Irrationalismus, mit dem Kubas Revolution bekämpft wird. Diese Solidarität geht über den Menschen Fidel Castro, dem wir noch viele Jahre an der Seite seines Volkes wünschen, hinaus. Sie wird eines Tages auch sein Leben überdauern.
Bundesvorstand der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba
Begegnungen mit Fidel Castro
Von Heinz Langer, mehrere Jahre Botschafter der DDR in Kuba
Zu den Mitarbeitern des kubanischen Außenministeriums und der Internationalen Abteilung der Partei hatte ich ausgezeichnete, freundschaftliche Beziehungen, und auch zu Fidel. Ich war schließlich Mitglied der ersten Partei- und Regierungsdelegation der DDR in Kuba und hatte in meiner Eigenschaft als Sektorleiter Lateinamerika im Zentralkomitee der SED vor allem im Zusammenhang mit den Ereignissen in Chile sehr intensive Arbeitskontakte mit Kuba. Also nutzte ich meine Position, um den Protokollchef Kubas, Roberto Melendes, zu konsultieren, wie ich meinen Auftrag an Fidel überbringen könnte. Roberto, der seinen Präsidenten schon aus den Zeiten der Rebellenarmee kannte, sagte mir, dass Fidel keinen großen Wert auf Glückwunschzeremonien lege. Er gab mir den Rat, ihn einfach zu mir einzuladen, denn es zeigte sich, dass es schwer war, einen offiziellen Termin über das Protokoll zu bekommen. Ich wählte die Vermittlung durch die enge Vertraute Fidels, seine Privatsekretärin und Kampfgefährtin aus der Sierra Maestra, Celia Sanchez. Meistens kam dann Fidel zu mir in die Residenz. Ich vermute, dass er solchen Dingen einen privaten Charakter geben wollte. Er bedankte sich für die Grüße und begann, vollkommen entspannt über die Bedeutung des 13. August für die DDR zu sprechen. Dazu hatte er einen klaren Standpunkt. Fidel hatte überzeugende Informationen, welcher Schaden der DDR früher durch die offene Grenze und die Politik der BRD entstanden war. Er verglich die US-Blockadepolitik gegen Kuba mit den Methoden der BRD-Regierung gegen die DDR. Die Maßnahmen gegen Kuba verstand er als eine weitere Methode, um die Verbreitung der sozialistischen Idee in Misskredit zu bringen.
Die Unterhaltung verlief in lockerer Atmosphäre. Solche Gespräche waren für mich als DDR-Vertreter sehr wertvoll und trugen sichtbar zu Festigung der persönlichen Beziehung bei. Der Geburtstag Fidels war übrigens nicht der einzige Anlass, dass er mich in meiner Wohnung besuchte.
Einmal besichtigte er die ganze Residenz – wohl wissend, dass das Haus, wie er sagte, für die einst mächtigste Figur im vorrevolutionären Kuba, den USA-Militärattaché, gebaut worden war. Fidel entdeckte in den beiden Arbeitszimmern jeweils einen verschlossenen Safe. Als ich ihm sagte, dass ich bisher diese Tresore noch nicht öffnen konnte, spürte ich sein wachsendes Interesse und er versprach mir, einen seiner Spezialisten zu schicken. Aber wie vermutet, hatte der US-Vertreter noch genügend Zeit gehabt, die Geheimnisse in Sicherheit zu bringen.
Der Internationalist
Es ist bekannt, dass Kuba ein großes Verdienst bei der Befreiung von Ländern Afrikas von kolonialer oder halbkolonialer Abhängigkeit hat. So zum Beispiel im Falle Angolas. Dieses reiche Land wurde ebenfalls mit der Nelkenrevolution in Portugal frei. Auch in diesem Falle war es dringend erforderlich, die Freiheit gegen die Gelüste anderer imperialer Mächte zu verteidigen. Im Oktober 1975 drohten die Streitkräfte Südafrikas und des Kongo unter Mobutu die Hauptstadt Angolas zu erobern. Der Führer der Befreiungsbewegung MPLA, Agostinho Neto, bat die revolutionäre Regierung Kubas um Hilfe. Die kubanische Regierung reagierte unverzüglich, indem sie umfangreiche militärische Hilfe schickte. Die DDR hatte selbst traditionelle Beziehungen zu den afrikanischen Befreiungsbewegungen. Die Führung der DDR unterstützte, ihren Möglichkeiten entsprechend, auch die kubanischen Hilfsmaßnahmen. Natürlich benötigte das sozialistische Kuba mit seinen begrenzten wirtschaftlichen Möglichkeiten diese Unterstützung.
Zur Koordinierung der Sicherstellung für die umfangreichen Militäraktionen besuchte mich Fidel öfter in meiner Residenz, wodurch die vertrauensvollen, freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Staaten weiterhin gefestigt wurden. Die Besuche erfolgten spontan. Fidel meldete sich aber immer kurzfristig mit seinem Autotelefon an. Oft kam er in Begleitung einiger Minister, in Abhängigkeit von den Objekten, die er gerade besuchte. Auch hier herrschte eine komplett informelle Atmosphäre. Ihm machte es auch nichts aus, wenn er mich beim Rasieren oder beim Umkleiden für eine nächste Veranstaltung überraschte. Fidel breitete gewöhnlich die Karte von Angola aus und erläuterte mir im Detail die unmittelbar bevorstehenden Kampfhandlungen. Es war beeindruckend, wie er über die große Entfernung Einfluss auf die taktische Situation ausübte, wie er persönlich und effektiv die Führung der kubanischen Truppen in Angola organisierte. Natürlich setzte er voraus, dass ich jeweils die Partner in der DDR aktuell informierte.
Rum und Bier
Während der feierlichen Eröffnungszeremonien anlässlich der Übergabe von uns erbauter Objekte musste ich stets auf der Hut sein. Denn Fidel hatte sich angewöhnt, während seiner Rede überraschend Fragen an mich zu stellen.
So zum Beispiel im Falle der Brauerei ‚Minima“ in Paraguay. Die Fragen betrafen u. a. die Trinkgewohnheiten der DDR-Bürger oder technische Probleme des Bierbrauens. Am Abend, beim Empfang, erzählte er mir über die Probleme in der Provinz Holguin, in der sich die Industrie am schnellsten und mit ihr die Anzahl der Arbeiter entwickelt habe. Die Trinkgewohnheiten seien noch immer auf den Konsum von kubanischem Rum gerichtet. Daher plane er, die Brauerei zu erweitern, damit die Arbeiter mehr Bier an Stelle von Rum konsumierten. Wie nebenbei erkundigte er sich, ob von unserem Kredit für die Brauerei in Camaguey „noch etwas übrig sei, um die Brauerei in Holguin zu erweitern“. Heute ist diese Brauerei übrigens noch immer die modernste Kubas.
Übergabe der modernsten Druckerei Kubas
Es war geplant, dass in dieser Druckerei – mit einer projektierten Jahreskapazität von 20 Millionen Büchern – der Schulbuchbedarf des kubanischen Bildungswesens, eine der wichtigsten Errungenschaften der kubanischen Revolution, gedeckt werden sollte. Der Bedeutung entsprechend konnten wir aus diesem Anlass ein künstlerisch anspruchsvolles Eröffnungskonzert erwarten. Die beiden damals bekanntesten Sänger, Silvio Rodriguez und Pablo Milanes, gaben sich die Ehre. Vor dem Konzert besichtigte Fidel die riesige Druckerei. Es war beeindruckend, ihn bei seinem Rundgang zu beobachten. In der klimatisierten Produktionshalle mit modernsten Maschinen und anderen Geräten unserer auf Weltniveau produzierenden polygraphischen Industrie ausgestattet, herrschte feierliche Stimmung. Die Arbeiter und das Servicepersonal waren überwiegend junge Leute, die ihre Ausbildung meist in der DDR, in Leipzig oder Dresden erhalten hatten. Auch hier bemerkten wir in den Gesprächen den großen Sachverstand Fidels. Natürlich interessierte er sich auch für die Qualifizierungsmaßnahmen in der DDR. Die längste Zeit verbrachte er jedoch damit, sich mit den kubanischen Jugendlichen über ihr privates und soziales Umfeld in sehr lockerer und völlig ungezwungener Art und Weise zu unterhalten. So etwas habe ich in dieser Form bisher nur in Kuba erlebt, dass der oberste Repräsentant sich mit Arbeitern und Jugendlichen unterhält, als wären sie Mitglieder eines gleichen Arbeitskollektivs.
Gegen Ende des Konzerts fragte mich Fidel, ob ich danach noch Zeit hätte, um mit ihm und seiner Begleitung (es waren die Bezirkssekretäre der Ostprovinzen, der Landwirtschaftsminister, weitere Minister, wie für das Bauwesen und für die Staatsreserven) in die Berge zu fahren. Er müsse dort in einem Tal „Valle de Caugery“ im östlichen Bergmassiv eine wichtige Entscheidung treffen. In diesem sehr fruchtbaren Tal, das aber zu wenig Wasser hat, müsse ein Fluss gestaut werden, um es für die anliegenden Bauern und die Landwirtschaft besser nutzen zu können. Das Projekt wolle er vor Ort mit den Bauern und Spezialisten diskutieren, um zu einer Entscheidung zu kommen.
Wir hatten uns schon gewundert, dass eine Kolonne mit zahlreichen Jeeps vorgefahren war. Mich traf die Einladung völlig unvorbereitet. Ich nahm die Ehre an und willigte in dieses Abenteuer ein. Ich schickte meinen Fahrer mit Wagen und entsprechenden Instruktionen für meine Frau und die Botschaft nach Havanna zurück und reihte mich mit dem mir zur Verfügung gestellten Jeep in die Kolonne ein. Etwa zwei Stunden fuhren wir in völliger Dunkelheit durch die Berge bis zu einem improvisierten Feldlager der Armee. Dort, es war gegen 2 Uhr in der Nacht, wurden wir von Soldaten bewirtet. Während des Essens plauderte Fidel über Erlebnisse in den Bergen aus der Zeit der Kämpfe.
Nach einiger Zeit, die wie im Flug verging, teilte er mir mit, dass die Bauern zu einer Versammlung eingeladen hätten, um die Probleme zu diskutieren. Auch hierzu lud er mich ein. Es fing schon an zu tagen, als wir das Tal erreichten. Fidel stellte uns den Bauern vor und bat mich, neben ihm Platz zu nehmen. Er begann sogleich über die Landwirtschaft der DDR und über den Einfluss der Genossenschaften auf Kuba zu sprechen und brachte mich zur Belustigung der Versammelten wiederholt ins Spiel, indem er mir Fragen stellte über Dinge, die die kubanischen Bauern noch nicht kannten – wie Magermilch, Margarine usw. Über das Stausee-Projekt entwickelte sich eine heftige Diskussion. Erschöpft, aber zufrieden, fuhren wir zu unseren Zelten und freuten uns auf den verdienten Schlaf. Wir nahmen an, dass der Chef sich ebenfalls zur Ruhe begab; aber weit gefehlt, er zog sich mit den Spezialisten für das Bauvorhaben in sein Zelt zurück, um an dem Projekt zu arbeiten. Ich war froh, dass Fidel mir einen Platz in seinem Flugzeug anbot für die Rücktour.
Resümierend kann ich sagen, dass diese Begegnung zum wiederholten Male meine Meinung bestätigt hat, dass Fidel Castro ein außergewöhnlicher Mensch ist: menschlich und – was viele nicht glauben wollen – zugleich ein Staatsmann, der sich bei seinen Entscheidungen mit seinen Mitarbeitern und den kompetenten Gremien berät, der trotz seines Temperaments geduldig und ausdauernd zuhören kann.
(Nachdruck aus „Cuba Libre“,
Zeitschrift der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e. V.
Red. bearb. und gekürzt)