Es gibt in Deutschland Menschen, die Christian Lindner (FDP) für einen sympathischen Politiker halten – oder besser gesagt: hielten. Denn dem ehemaligen Finanzminister hängt der „D-Day“-Schock nach. Noch am Abend des Ampelbruchs hatte sich Lindner ganz ergriffen darüber beschwert, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine vorbereitete Rede verlas. Inzwischen wissen wir: Die FDP hat ein neues Level auf der Dämlichkeitsskala geknackt. Da hat man doch tatsächlich ein Strategiepapier für den Sturz der eigenen Regierung zuerst aufgeschrieben (!), dann seine Existenz geleugnet (!) und es dann selbst veröffentlicht (!).
Sogar Lindner hat inzwischen Fehler eingeräumt, die „bedauern wir sehr, weil dadurch die Lauterkeit unserer Motive von unseren politischen Gegnern infrage gestellt werden konnten“. Und wie diese „Lauterkeit“ in Frage gestellt wurde! Nicht wenige Medien, die Lindner und seinem neoliberalen Wanderzirkus jahrelang den verlängerten Rücken geküsst haben, befürchten nun den Untergang des Abendlandes. „Wenn Lügen zur Norm wird, stirbt die Demokratie“, hieß es etwa im „Spiegel“. Denn „der Akt des Wählens soll ja die kollektive Rationalität des Wahlvolks nutzbar machen, um kollektiv Entscheidungsgremien zu berufen, die dann das für das Gemeinwohl Beste tun“, geht es weiter. Wann das jemals der Fall war, wird nicht verraten.
Das scheinheilige Getöse rund um „die Lüge“, als hätte die FDP die Unwahrheit als Mittel der Politik erfunden, ist eine Beleidigung für die von wildgewordenen BlackRock-Lobbyisten und kriegsgeilen „Friedenspolitikern“ in Ampelfarben ohnehin schon gebeutelte Bevölkerung. Da kann man Lindner fast schon beglückwünschen, dass er sich in seinem Slim-Fit-Anzug an den Chefsessel krallt. Unabsichtlich und dank seiner neoliberalen Verbohrtheit führt er uns Kriegsmedien und -parteien vor, die das Schlachten in der Ukraine verlängern und den Völkermord in Gaza unterstützen, aber über eine Lüge und den Begriff „Feldschlacht“ bestürzt sind.