Über Rosneft und die Treuhand

Feindliche Übernahme

Eine Karriere als Kinderbuchautor war Robert Habeck nicht beschieden. Als Wirtschaftsminister versucht er sich nun an moderner grüner Industriepolitik. In dem Zuge stellte er die deutsche Tochter des neuntgrößten Ölkonzerns der Welt, Rosneft, unter Treuhandverwaltung. Die Großraffinerie in der Uckermark verarbeitet jährlich 12 Millionen Tonnen Rohöl zu Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl und versorgt zu 90 Prozent den Raum Berlin und Brandenburg mit fossiler Energie. Für Ordnung sorgt seit dem 16. September sein Parteifreund Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, mit seinem eilig als Geschäftsführer eingesetzten Spitzenjuristen Christoph Morgen – zum Insolvenzanwalt 2021 gekürt. Die bisherige Geschäftsleitung hat er in die Wüste geschickt, alle operativen Entscheidungen an sich gezogen.

Nein, eine Enteignung ist das nicht. Rosneft bleibt zunächst auf sechs Monate einflussloser Eigentümer, verliert die Gewinne aus dem Tagesgeschäft und trägt die Verluste. Die bei einer Enteignung fällige Entschädigung spart Habeck beim Treuhandmodell. Treuhand, das weiß man nicht nur im Osten der Republik, sorgt über kurz oder lang für die Zerschlagung vormals gesunder Betriebe, Massenarbeitslosigkeit und Verarmung.

Vielleicht hätte Habeck am Vorabend der Entscheidung zur feindlichen Übernahme von Rosneft einen Blick in seine Vorlesegeschichte „Raubritter“ werfen sollen. Da geht dem kleinen Ben – gerade noch rechtzeitig, bevor er seinem Schwesterchen Schaden zufügt – durch den Kopf: „Kleinen Schwestern das Spielzeug wegzunehmen oder ihren Turm zu zerstören ist nicht ritterlich.“ Aber einen Raubritter wie Habeck interessiert das nicht. Wenn ab 1. Januar das Ölembargo gegen Russland greift und kein russisches – igitt! – Gas mehr durch die Druschba-Röhre fließt, springt der große Bruder in die Bresche. US-amerikanisches Öl kostete Deutschland (Stand Juni) 877 Euro/Tonne, das – schon verteuerte – russische Öl 623 Euro/Tonne. Habeck schätzt, dass im „Idealfall“ – wann ist der schon einmal eingetreten? – 75 Prozent der russischen Lieferungen ersetzt werden können. Rasanter Benzinpreisanstieg, explodierende Heizkosten und die Verteuerung aller Derivatprodukte, wie zum Beispiel Kunststoff, werden sichere Folgen sein. Verarmung? Nein, in der Logik eines Raubritters heißt das: Einfach mit weniger Geld über die Runden kommen.

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"Feindliche Übernahme", UZ vom 23. September 2022



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