Feinde der Arbeiter

Rainer Perschewski zum 2. Mai 1933

Der 1. Mai 2018 ist in mehrerer Hinsicht einer besonderen Betrachtung wert. 1933, das Jahr der Machtübertragung an den deutschen Faschismus, liegt 85 Jahre zurück. Ein dunkles Kapitel auch deutscher Gewerkschaftsgeschichte. Die Auseinandersetzungen innerhalb der Arbeiterbewegung, die legalistische Haltung großer Teile der Arbeiterbewegung und die Unterschätzung der Nazis verhinderten das einheitliche Handeln gegen die drohende faschistische Diktatur.

Noch am 30. Januar 1933 riefen die Gewerkschaften zur Zurückhaltung und Besonnenheit auf. „Organisation – nicht Demonstration ist die Parole der Stunde!“ Das war die Richtschnur, die der Vorsitzende des ADGB, Theodor Leipart, ausgab und welche nichts anderes als eine Aufforderung zum Stillhalten bedeutete. Die Abfolge der Ereignisse bis zum Mai macht die Dramatik der Entwicklung deutlich. Am 27. Februar 1933 brannte der Reichstag, die Notverordnung des Reichspräsidenten diente der Ausschaltung der Nazi-Gegner. Innerhalb weniger Tagen waren 100000, im wesentlichen Kommunisten und Sozialdemokraten, verhaftet und in den eilig eingerichteten „wilden“ Konzen­trationslagern eingekerkert. Damit war ein möglicher Widerstand geschwächt.

Mit dem Ermächtigungsgesetz vom März 1933 entmachtete sich das deutsche Parlament und schaltete mit dem Gleichschaltungsgesetz der Länder auch die einzelnen Landesparlamente aus. Trotz dieser rasanten Errichtung der faschistischen Diktatur und der schon in der Hand der Nazis gebündelten Macht im Lande verblieb eine letzte handlungsfähige Bastion der organisierten Arbeiterbewegung – die Gewerkschaften. Für den 1. April 1933 waren die Betriebsratswahlen im deutschen Reich angesetzt, die in Teilen noch durchgeführt werden konnten. Die ersten Ergebnisse waren für die Faschisten ein deutliches Zeichen, dass die Beschäftigten in den Betrieben ihnen nicht folgten, denn fast 89 Prozent stimmten für ihre bekannten Richtungsgewerkschaften und nicht für die Nazi-Organisation. Daraufhin wurden diese Wahlen kurzerhand per „Gesetz“ abgebrochen. Die Repressionen gegen die Gewerkschaften nahmen zu.

Weshalb die Gewerkschaftsführungen unter diesen Bedingungen dennoch das Vorhaben der Nazis begrüßten, den 1. Mai zum Feiertag als „Tag der nationalen Arbeit“ zu erklären und zur Teilnahme an den Kundgebungen aufriefen, ist nicht nachvollziehbar und nur als eine Bankrotterklärung zu betrachten. Von langer Hand vorbereitet, wurden schließlich am 2. Mai 1933 die Gewerkschaftshäuser besetzt und die Gewerkschaften verboten. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Weimarer Republik und des faschistischen Terrors in Europa und schließlich der Befreiung vom deutschen Faschismus durch die Alliierten entstanden nach 1945 einheitliche deutsche Gewerkschaften, denen sich Kommunisten, Sozialdemokraten und christliche Gewerkschafter anschlossen. Dieser Hintergrund bestimmt unser Verhältnis zu den Einheitsgewerkschaften bis heute und kann zu Recht als Errungenschaft in Deutschland bezeichnet werden. Nach wie vor sind in den Betrieben die Vorteile einheitlichen Handelns nachvollziehbar. Überall dort, wo danach gehandelt wird, ist die Kraft dieses Handelns sofort sichtbar, wie in den Tarifauseinandersetzungen der letzten Wochen.

85 Jahre nach den Ereignissen von 1933 befinden wir uns in den Betriebsratswahlen. Deutlicher als je zuvor wurde durch die Versuche faschistischer Kräfte in den Betrieben Fuß zu fassen, sichtbar, dass diese „neue Rechte“ die alte ist. Immer noch ist der erklärte Feind die organisierte Arbeiterbewegung, der wieder eine Art Volksgemeinschaft entgegengesetzt wird. Immer noch sind es die gleichen Methoden der sozialen Demagogie und immer noch sind es die gleichen Versuche, Minderheiten zu Feinden zu erklären. Diesen Versuchen der Spaltung können und müssen wir auf der betrieblichen Ebene in und mit unseren Gewerkschaften begegnen.

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"Feinde der Arbeiter", UZ vom 27. April 2018



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