Als im April General Haftar mit seiner Libyschen Nationalarmee (LNA) eine Großoffensive auf die Hauptstadt Tripolis startete, schien sein Erfolg zum Greifen nah – schließlich hatte er die Unterstützung Frankreichs und die Billigung der USA. Präsident Trump hatte in einem Telefongespräch mit Haftar von einer gemeinsamen Vision für Libyen gesprochen und auch sein Berater Bolton hatte grünes Licht für den Angriff gegeben. Doch die Offensive erzielte keine durchschlagende Wirkung. Im Gegenteil: Ein Angriff der Truppen der international anerkannten Regierung Fayiz as-Sarradsch vertrieb Ende Juni die Truppen Haftars aus der wichtigen Stadt Gharyan im Süden der Hauptstadt. Dies war auch ein Erfolg für einen wenig beachteten internationalen Auftraggeber der Kämpfe: die Türkei.
Die Streitkräfte der Regierung setzen sich vor allem aus dschihadistischen Milizen zusammen, von denen einige den Moslembrüdern nahestehen. Damit gehören sie zu den gleichsam „natürlichen“ Verbündeten der türkischen AKP-Regierung.
Die Türkei lieferte Waffen, Drohnen und Fahrzeuge an die Truppen von Fayiz as-Sarradsch. Mit den zum Teil gepanzerten Fahrzeugen gelang den Einheiten der Regierung ein Angriff, der die Libysche Nationalarmee in Gharyan völlig überrumpelte. Sie musste offenbar Hals über Kopf aus der Stadt fliehen. Schon nach sieben Stunden waren die Kämpfe vorüber, die LNA vertrieben.
Nicht nur die türkischen Fahrzeuge beflügelten den Erfolg. So, wie Haftar seine Erfolge in Libyen geschickten Verhandlungen mit lokalen Machtgruppen verdankt hatte, gelang es den Regierungstruppen, in Gharyan in wochenlangen Vorbereitungen insgeheim lokale Kämpfer zu organisieren, die die LNA während des Angriffs in der Stadt selbst bekämpften. Haftar betrachtete das als Verrat.
Der Verlust von Gharyan war ein schwerer Rückschlag für Haftar – und entsprechend fiel die Reaktion aus. Türkische Truppen hätten direkt an den Kämpfen teilgenommen, hieß es von Seiten der LNA. Haftar verbot deshalb alle kommerziellen Flüge von Libyen in die Türkei und drohte, türkische Einrichtungen und Schiffe innerhalb libyscher Hoheitsgewässer als militärische Ziele zu betrachten, wie sein Sprecher Ahmed al-Mismari mitteilte. Erste Opfer waren türkische Seeleute, die von Truppen der LNA festgenommen wurden. Doch kurz darauf wurden sie wieder freigelassen – Drohungen der türkischen Regierung hatten Wirkung gezeigt.
Die Türkei liefert Waffen und ist möglicherweise mit eigenen Truppen in Libyen vertreten. Ebenso wie Frankreich und offenbar auch die Vereinigten Arabischen Emirate. Und nicht nur die Türkei liefert Waffen. Nach der Schlacht um Gharyan stellten Regierungseinheiten Waffen aus, die sie in den Lagerhallen der LNA gefunden hatten: Dutzende Panzerabwehrwaffen der USA, geliefert aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Die LNA besitzt die Lufthoheit und hat mehrmals den Flughafen von Tripolis angegriffen. Da man die traditionellen Mittel erschöpft habe, um die Kontrolle in Tripolis zu gewinnen, werde man nun „starke und entschlossene Luftangriffe“ gegen ausgewählte Ziele durchführen, erklärte der Kommandeur der Luftwaffe der LNA, al-Manfour.
Zu den letzten Opfern dieses Krieges gehören mehr als 40 Migranten, die vermutlich bei einem Luftangriff auf ein Haftzentrum getötet wurden. Mehr als 100 weitere wurden verletzt.
Die Sorge der EU und der NATO-Staaten jedoch gilt weiterhin der Frage, wie Menschen an der Flucht aus Libyen gehindert werden können. Und wer die Kontrolle über die Reichtümer des Landes erringt.