Jahresbericht: Der internationale Verbund von Hilfsorganisationen Oxfam sieht schädliche Machtkonzentration

Extremistischer Reichtum

Es ist eine bittere Analyse, die Serap Altinisik, Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland, bei der Vorstellung des Jahresberichts „Takers not Makers“ vornimmt: „Der Vermögenszuwachs der Superreichen ist grenzenlos, während es bei der Bekämpfung der Armut kaum Fortschritte gibt und zum Beispiel Deutschland die Unterstützung einkommensschwacher Länder sogar kürzt.“

Allein im vergangenen Jahr ist das Gesamtvermögen der weltweit knapp 2.800 Milliardäre um zwei Billionen von 13 auf 15 Billionen US-Dollar gestiegen – und damit dreimal so schnell wie noch 2023. Damit besitzt das reichste Prozent der Weltbevölkerung mittlerweile 45 Prozent des weltweiten Vermögens. Zugleich leben 3,6 Milliarden Menschen von weniger als 6,85 Dollar pro Tag und 730 Millionen müssen hungern. Vor knapp fünf Jahren seien es noch 152 Millionen weniger gewesen, heißt es nüchtern im Bericht des Verbunds von Hilfs- und Entwicklungsorganisationen.

Angesichts der rasant wachsenden Vermögen rechnen die Oxfam-Analysten damit, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre fünf der heutigen Milliardäre zu Billionären werden könnten. Das Vermögen eines Milliardärs wächst im Durchschnitt pro Tag um zwei Millionen US-Dollar. Die zehn reichsten Milliardäre werden sogar um durchschnittlich 100 Millionen US-Dollar pro Tag reicher. Selbst wenn sie über Nacht 99 Prozent ihres Vermögens verlören, blieben sie Milliardäre, heißt es in dem Oxfam-Bericht, der sich auf Daten aus verschiedenen Quellen stützt. So haben die Autoren Forbes-Schätzungen zum Vermögen der Milliardäre mit Daten der Weltbank und dem UBS-Weltvermögensreport zusammengeführt.

Auch in Deutschland hat die Ungleichheit in den letzten Jahren stark zugenommen. Während die reichsten 5 Prozent fast die Hälfte (48 Prozent) des gesamten Vermögens ihr Eigen nennen könnten, ging die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung nahezu leer aus. Jedes siebte Kind leidet unter Armut, und immer mehr Menschen können ihren gewohnten Lebensstandard nicht mehr halten. Gleichzeitig gibt es hierzulande 130 Milliardäre – die viertgrößte Anzahl weltweit. Deren Gesamtvermögen ist nach Berechnungen der Oxfam-Studie allein 2024 um 26,8 Milliarden auf umgerechnet 625 Milliarden US-Dollar angewachsen.

Während sich der Reichtum weiter konzentriert, fehlt in den öffentlichen Haushalten das Geld für moderne Schulen, gute Pflege, einen handlungsfähigen Sozialstaat und Zukunftsinvestitionen. Allein der staatliche Investitionsbedarf für eine zukunftsfähige Wirtschaft wird von verschiedenen Wirtschaftsinstituten mit etwa 600 Milliarden Euro beziffert.

Reichtum gehe Hand in Hand mit politischer Macht, beschreibt der Oxfam-Bericht die Folgen von Ungleichheit für die Demokratie. Deshalb müsse neben einer weltweiten Vermögenssteuer von 2 Prozent pro Jahr auch die Macht von Konzernen eingeschränkt, das Kartellrecht gestärkt und schädliche Marktkonzentration frühzeitig gebremst werden. Die Superreichen, so heißt es weiter, sorgten gezielt dafür, dass die ungerechten Strukturen stabil blieben: „Die wirtschaftlich starken Länder im Globalen Norden bestimmen weiterhin die Regeln, von denen Superreiche und ihre Konzerne profitieren. Sie dominieren Institutionen wie den Internationalen Währungsfonds, die Weltbank sowie die Finanzmärkte“, so die Kritik von Oxfam. Damit wachse auch ihr Einfluss auf die Steuergesetzgebung. Die Senkung von Unternehmenssteuern, unzureichende Besteuerung von Kapitalerträgen, Ausnahmen bei der Erbschaftssteuer und die Abschaffung von Vermögenssteuern seien die Folge.

Statt Reichtum zu besteuern, haben viele Staaten Verbrauchsteuern wie beispielsweise die Mehrwertsteuer erhöht, die ärmere Menschen stärker belasten als Reiche. Ein Trend, der trotz der eindringlichen Warnung von Oxfam auch in Deutschland fortgesetzt werden soll. Wie sonst ist der Ruf der Wirtschaftsbosse und der ihnen nahestehenden politischen Parteien nach „Steuersenkungen und Bürokratieabbau“ zu verstehen?

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"Extremistischer Reichtum", UZ vom 7. Februar 2025



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