ELP-Vorstand tagte in Berlin

„Europakritisch“?

Von Carlo Pereira

Der Vorstand der Europäischen Linkspartei (ELP) tagte am zweiten Januarwochenende in Berlin. Er ist das höchste Organ der Partei zwischen den Parteitagen und kommt etwa vierteljährlich zusammen. Zu den Zusammenkünften sind auch die Parteien mit Beobachterstatus bei der ELP – wie die DKP – eingeladen.

Bereits im Vorfeld war eine Debatte um die Ausrichtung der Partei erkennbar. Ein vor der Tagung bereitgestellter Diskussionsbeitrag warf zahlreiche Themen auf, die als „Zerreißproben“ charakterisiert wurden: Darunter war die Frage nach Regierungsbeteiligungen oder strikter Opposition, nach einem klaren Ja zum Euro oder dem Ausstieg aus dieser Währung, ob Bündnisse wie in Griechenland zwischen Syriza und der Rechtsaußenpartei Anel vertretbar sind oder prinzipiell abgelehnt werden müssen, nach der Schwerpunktsetzung auf antiimperialistische Kernziele statt „linksliberalem Mainstream aus Political Correctness“. Natürlich wurden diese Fragen nicht beantwortet. Sie verweisen aber auf die Schwierigkeiten einer Arbeitsstruktur, welche sich der Klassenfrage nicht stellt und angesichts ihrer pluralen Zusammensetzung auch weder stellen möchte noch kann. Folgerichtig nannte dieser Beitrag auch die Klärung von Statutenfragen als erforderlich und regte eine Stärkung der Rolle des Sekretariats an.

Die Diskussion um die Ausrichtung der ELP beruht auch auf der Vorbereitung ihres 5. Parteitags, der im Dezember in Berlin stattfinden wird, und des dort vorzulegenden Leitantrags, der bereits von einer Arbeitsgruppe vorbereitet wird. Er solle, so der Vorsitzende der ELP, Pierre Laurent von der Französischen Kommunistischen Partei, nicht nur der Weiterführung der bisherigen Anstrengungen dienen, sondern eine neue Ära der politischen Aktivitäten eröffnen. Zu diesen Zweck besteht nicht nur eine Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des Leitantrags, sondern auch eine weitere zur Veränderung der inneren Organisation der Partei.

Laurent konstatierte in seinem Eingangsreferat die anhaltende Krise der EU und eine politische Rechtsverschiebung, welche auch die traditionelle politische Rechte und die Sozialdemokratie betreffe. Aktuell trage zu dieser Entwicklung die Gefährdung der Identität Europas durch die Ankunft der großen Zahl von Flüchtlingen bei. Die EU-Politik sei auf Spannung und Krieg gegen den Rest der Welt und sogar innerhalb Europas gerichtet. Es sei erforderlich, die EU so zu entwickeln, dass an Stelle von Austeritätspolitik und übersteigertem Wettbewerb soziale und ökologische Investitionen vorgenommen werden. Unter Anerkennung und zur Sicherung nationaler Souveränität müsse eine neue europäische Architektur geschaffen werden. Ein offenes Europa des Friedens müsse Verantwortung für sich selbst und die restliche Welt übernehmen – die Friedensfrage solle auch auf dem Parteitag im Mittelpunkt stehen. In staatsmännischer Sprechweise bezeichnete er Kritiker der EU als „europakritisch“. Andere Diskussionsbeiträge stellten die Reformierbarkeit der EU in Frage.

Es wurde festgehalten, dass die ELP es nicht im erwünschten Maß erreicht habe, ihre Bekanntheit als eigenständige Organisation auszuweiten.

Der Zeitplan sah parallel zur Liebknecht-Luxemburg-Demo am Sonntag Arbeitsgruppentreffen vor. Vertreter einiger befreundeter Parteien ließen es sich dennoch nicht nehmen, an der Demonstration teilzunehmen. Die stellvertretende ELP-Vorsitzende Maite Mola (KP Spaniens) nutzte ihren Aufenthalt, um das LLL-Treffen der DKP in der Urania zu besuchen und die Gäste kämpferisch und prägnant zu begrüßen.

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"„Europakritisch“?", UZ vom 15. Januar 2016



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